1. Allgemeines
Rz. 7
Der Verzicht kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen. Der unentgeltliche Verzicht ist relativ häufig. Abkömmlinge erklären ihn z.B. aufgrund elterlicher Autorität, sittlichen Verpflichtungsgefühls oder auch rechtlicher Unkenntnis. Oft wird ihnen von den Eltern zugesichert, dass sie nach dem letztversterbenden Elternteil Erben werden würden. Eine erbvertragliche Bindung der Eltern erfolgt aber meist ebenso wenig wie eine Aufklärung über die Gefahr des "Verschwindens" von Vermögen zu Lebzeiten der Eltern und über die Schwäche des Anspruchs aus § 2287 BGB (analog).
2. Unentgeltlicher Verzicht
Rz. 8
Der unentgeltlich abgegebene Verzicht ist nach allgemeiner Meinung keine Schenkung des Verzichtenden. Im Moment des Verzichts wird das Vermögen des Erblassers nicht bereichert, wie es § 516 Abs. 1 BGB verlangt, und das des Verzichtenden nicht gemindert. Schließlich stellt § 517 BGB klar, dass – obwohl der Verzichtsempfänger einen Vorteil erhält – u.a. der Verzicht auf ein angefallenes, aber noch nicht endgültig erworbenes Recht oder die Ausschlagung einer Erbschaft keine Schenkungen darstellen.
3. Entgeltlicher Verzicht
Rz. 9
Umstritten ist, ob die Abfindung für einen Verzicht eine unentgeltliche Zuwendung ist oder den Verzicht zu einem entgeltlichen Vertrag macht.
In einer Entscheidung im Jahr 1991 hatte der BGH über eine Anfechtung nach dem AnfG zu entscheiden. Ein Pflichtteilsverzicht wurde in diesem Zusammenhang nicht als "Gegenleistung für die Übertragung wertvollen Grundbesitzes" gesehen. Mit der erbrechtlichen Problematik setzte sich der BGH aber nicht auseinander. In einem Urteil aus dem Jahr 1985 hatte der BGH noch auf das uneinige Schrifttum verwiesen und die Frage ausdrücklich offengelassen. Im Jahr 2008 entschied der BGH, dass ein Entgelt bzw. eine angemessene Abfindung für einen Erbverzicht nicht der Pflichtteilsergänzung unterliegt. Ob dies auch auf den Pflichtteilsverzicht übertragen werden kann, war fraglich.
In seiner Entscheidung aus dem Jahr 2016 setzte sich der BGH mit der Problematik auseinander und stellte auf die Intention der Vertragspartner ab. In der Folge sei grundsätzlich eine Schenkung anzunehmen, wenn die Abfindung der Erberwartung ungefähr entspricht oder sie übersteigt.
4. Höhe der Abfindung
Rz. 10
Verhandlungen über eine Abfindung können für den Rechtsanwalt schwierig sein. Wird der potentielle Erblasser vertreten, kann schlicht eine feste Summe ohne weitere Begründung angeboten werden. Der kundige oder anwaltlich vertretene Gegner wird sich aber regelmäßig nur bei Offenlegung des Einkommens und des Vermögens des Erblassers auf Verhandlungen einlassen. Unter Umständen kann der den Verzichtenden vertretende Rechtsanwalt Schätzungen seines Mandanten zugrunde legen und einen "Unsicherheitsaufschlag" verlangen.
Bei offenen Gesprächen kann das Vermögen des Erblassers zum Zeitpunkt des Verzichts für die Abfindungsberechnung zugrunde gelegt und der Wert des Pflichtteilsanspruchs zu diesem Zeitpunkt als Abfindung vereinbart werden.
Denkbar ist es aber für beide Seiten auch, auf Unwägbarkeiten hinzuweisen. Für eine niedrigere Abfindung würde bspw. sprechen, dass der Erblasser zu Lebzeiten noch viel Geld verbrauchen kann, entweder für Luxusausgaben oder für die Pflege im Alter, und durch Eheschließung sowie Adoption noch Personen hinzutreten können, welche die Erb- und Pflichtteilsquote senken würden. Für eine höhere Abfindung spricht es bspw., wenn aufgrund hohen Einkommens auch bei Pflegebedürftigkeit keine Minderung, sondern eher ein Anwachsen des Vermögens anzunehmen oder ein vorheriger Wegfall des quotenmindernden Ehegatten wahrscheinlich ist.
5. Verknüpfung von Verfügungs- und Kausalgeschäft
Rz. 11
Eine Verbindung des abstrakten Verfügungs- mit dem Kausalgeschäft zu einer vertraglichen Einheit mit der Folge des § 139 BGB ist nicht möglich. Die Geschäfte können aber mit einer Bedingung verknüpft werden. Die Wirksamkeit des Erbverzichts kann z.B. von der Leistung einer Abfindung abhängig gemacht werden.