Rz. 61
Auch bei der Anfechtung ist zwischen der Zeit vor und nach dem Erbfall zu unterscheiden.
1. Anfechtung vor dem Erbfall
Rz. 62
Für die Anfechtung gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 119 ff. BGB. Anders als bei einer letztwilligen Verfügung ist ein Motivirrtum unbeachtlich, denn § 2078 BGB gilt nicht. Die Anfechtung kann das abstrakte erbrechtliche Verfügungsgeschäft und/oder ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft unwirksam werden lassen.
Rz. 63
Das Anfechtungsrecht des Verzichtenden zu Lebzeiten des Erblassers ist unbestritten. Uneinigkeit besteht über das Anfechtungsrecht des potentiellen Erblassers.
Es könnte die Meinung vertreten werden, es bestehe für eine Anfechtung des Erblassers kein Bedürfnis. Er könne durch eine letztwillige Verfügung den Ausschluss des Erben jederzeit rückgängig machen.
Zutreffender Weise sollte ein Anfechtungsrecht des Erblassers bejaht werden. Ob ein "Bedürfnis" für ein Recht besteht, ist nicht ausschlaggebend für dessen Existenz. Bei einem testierunfähigen Erben ist es zudem nicht möglich, eine neue letztwillige Verfügung zu verfassen. Zudem werden durch einen Erbverzicht auch die Erb- und Pflichtteilsquoten von anderen Personen beeinflusst. Die Anfechtung kann eine Wirkung entfalten, die der Erblasser sonst nicht herbeiführen kann.
2. Anfechtung nach dem Erbfall
Rz. 64
Ob der Verzichtende noch nach dem Erbfall anfechten darf, ist höchst umstritten.
Die überwiegende Meinung verneint das Anfechtungsrecht. Das Hauptargument ist die Rechtssicherheit. Durch den Erbverzicht werden die Erbfolge und/oder Erbquoten geändert. Allerdings kommen in diesen Fällen Schadensersatzansprüche in Betracht, etwa nach § 826 BGB.
Die Gegenmeinung bejaht das Fortbestehen des Anfechtungsrechts. Es sei auch ein Gebot der Rechtssicherheit, eine begründete Anfechtung – etwa wegen arglistiger Täuschung oder Drohung – nicht zu verhindern. Außerdem könne auch eine Bedingung erst nach dem Tod des Erblassers eintreten.
Nach Pentz soll das Anfechtungsrecht des Verzichtenden nicht vererblich sein, da es höchstpersönlich sei. Die Anfechtung nach dem Tod des Verzichtenden sei daher ausgeschlossen.
3. Anfechtungsgrund
Rz. 65
Als Anfechtungsgrund kommt auch ein Irrtum über wertbildende Merkmale oder den Bestand des gegenwärtigen Vermögens des Erblassers in Betracht. Bei notarieller Aufklärung könnten relevante Irrtümer aber schwer darzulegen sein. Spätere Entwicklungen im Vermögen des Erblassers sind bei diesem Risikogeschäft unbeachtlich.
Ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft, wie die Bebaubarkeit eines Grundstückes, kann eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB rechtfertigen, nicht aber bei nicht verkehrswesentlichen Eigenschaften. Eine enttäuschte Erwartung, wie die der späteren Hofübernahme, genügt nicht.