I. Einleitung
Rz. 88
Setzten sich Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben und ihre Abkömmlinge zu Schlusserben ein, wird von einem "Berliner Testament" gesprochen. Der regelmäßig unbedachte Nachteil einer solchen letztwilligen Verfügung ist die aus einer Wechselbezüglichkeit folgende Bindungswirkung. Nach dem Tod des ersten Ehegatten kann der Überlebende die Schlusserbeneinsetzung nur noch mit Schwierigkeiten ändern. Kommt etwa durch eine Adoption oder Wiederheirat ein Pflichtteilsberechtigter hinzu, kann das gemeinschaftliche Testament angefochten werden. Eine unliebsame Folge kann der Wegfall der Alleinerbeneinsetzung des überlebenden Ehegatten sein, womit u.U. ein lange zurückliegender Erbfall wieder aufgerollt werden muss. Ein ähnliches Ergebnis kann sich bei einer Ausschlagung der testamentarischen Erbeinsetzung ergeben, wenn keine testamentarischen Ersatzerben eintreten. Eine Alternative zur Anfechtung und Ausschlagung könnte der Zuwendungsverzicht gem. § 2352 BGB sein.
II. Wirkungen
1. Grundsätzliche Wirkung
Rz. 89
Ein Zuwendungsverzicht erstreckt sich auf die Abkömmlinge des Verzichtenden. Allerdings gilt die Verweisung auch, wenn keine Abfindung gezahlt wurde. Die Rechtsfolge des § 2349 BGB kann (und muss) durch eine ausdrückliche Anordnung vermieden werden. Die Erstreckungswirkung kann ausnahmsweise entfallen, etwa wenn der Abkömmling ausdrücklich als Ersatzerbe benannt ist.
2. Ausdrückliche Ersatzerbenbenennung
Rz. 90
Die Ersatzerben (Gleiches gilt für die Ersatzvermächtnisnehmer) können zu solchen entweder durch Auslegung (§§ 2069, 2190 BGB) oder durch ausdrückliche Benennung in der letztwilligen Verfügung werden. Diskutiert wird, ob die Wirkung des § 2349 BGB auch in jedem Fall eintreten soll, wenn eine ausdrückliche Ersatzerbenberufung vorliegt. Insoweit könnte der Wille des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu erforschen sein.
Mit Herzog ist davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht ausgelegt werden sollte, da der Verweis auf § 2349 BGB gerade Zweifel beseitigen wollte und der Erblasser in dem Zuwendungsverzichtsvertrag die Möglichkeit zur Klarstellung hat.
In zwei Konstellationen sollten von dem Grundsatz aber Ausnahmen gemacht werden: Wenn sich die Ersatzerbenbenennung aus einem gemeinschaftlichen Testament oder einem Erbvertrag ergibt, würde deren Wegfall das Vertrauen des Erstverstorbenen in den Bestand der Anordnung enttäuschen. Auch der Wegfall eines Vorerbens (Kind) könnte sich auf den Nacherben (Enkel) auswirken und damit eine Vermögensnachfolgeplanung zunichtemachen. Zumindest bei gemeinschaftlichen Testamenten sollte daher § 2349 BGB aus Gründen des Vertrauensschutzes nur angewandt werden, wenn eine ergänzende Auslegung des Testaments ergibt, dass der zuerst verstorbene Ehegatte mit der Rechtsfolge einverstanden gewesen wäre.
3. Verzichte nur von Abkömmlingen und Seitenverwandten
Rz. 91
Dass in § 2349 BGB ausschließlich auf Verzichte von Abkömmlingen und Seitenverwandten abgestellt wird, zeigt seine Konzeption für die gesetzliche Erbfolge. Für den Zuwendungsverzicht passt dies nicht, denn bei einer Zuwendung durch letztwillige Verfügung werden auch andere Personen bedacht, die dann wiederum verzichten könnten. Die Auslegungsregel des § 2069 BGB kann aber auch bei diesen anzuwenden sein, bspw. bei Patchwork-Familien. Es sollten beim Zuwendungsverzicht daher in Ausweitung des Wortlauts des § 2349 BGB alle Ersatzerben erfasst sein.
III. Gegenstand des Verzichts
Rz. 92
Neben der Erbenstellung kann auch auf ein Vermächtnis verzichtet werden. Der Verzicht kann auf eine bestimmte Zuwendung oder einen Bruchteil des Erbteils beschränkt werden, nicht aber bei einer Erbeinsetzung auf einzelne Gegenstände (der aber u.U. wiederum umgedeutet werden kann z.B. in eine zulässige Teilungsanordnung). Ein Verzicht auf eine begünstigende Auflage ist nach wohl überwiegender Meinung nicht möglich. Denkbar ist eine Auslegung eines Erbverzichtes auch als Zuwendungsverzicht.
IV. Verzicht beim Erbvertrag
Rz. 93
Entsprechend kann bei einem Erbvertrag ein begünstigter Dritter gegenüber dem Erblasser verzichten. Der Dritte darf aber nicht am Erbvertrag beteiligt gewesen sein, zumindest wenn es sich um einen zweiseitigen Vertrag handelte. Anderes kommt nur in Betracht, wenn die normalerweise sinnvolle gemeinschaftliche Aufhebung des Erbvertrages den Beteiligten nicht mehr möglich ist.