Rz. 46

Grundsätzlich sind hinsichtlich des Verfahrens die (knappen) Verfahrensvorschriften der EuErbVO maßgeblich. Ergänzend gilt die lex fori des zuständigen Gerichts. In Deutschland ist das Verfahren als ein Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgestaltet. Nur soweit die EuErbVO und das insoweit speziellere IntErbRVG nichts anderes regeln, kann auf die §§ 352 ff. FamFG zurückgegriffen werden.[43]

 

Rz. 47

Was die anzuwendenden Verfahrensvorschriften anbelangt, verweist § 35 Abs. 1 IntErbRVG auf das FamFG. Aus Art. 66 Abs. 1 S. 2 EuErbVO ergibt sich, dass das Gericht befugt ist, von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Der Umfang der Ermittlungspflicht bestimmt sich nach der lex fori. Damit gilt für die deutschen Nachlassgerichte der Amtsermittlungsgrundsatz, § 35 Abs. 1 IntErbRVG. Das Nachlassgericht hat die Pflicht, den für die Auslegung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, § 26 FamFG.[44] Was die Beweisaufnahme anbelangt, kommen über § 35 Abs. 1 FamFG die §§ 29, 30 FamFG zur Anwendung. Das Gericht kann sich dabei sowohl des Freibeweises als auch der Beweismittel der ZPO bedienen, § 30 FamFG.

 

Rz. 48

Streitig ist, ob das Verfahren als reines Konsensverfahren ausgestaltet ist, ob also das Verfahren auf Erteilung eines ENZ auch dann durchzuführen ist, wenn Einwände gegen die Erteilung eines ENZ erhoben werden.[45]

OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.12.2020 – 8 W 342/20, FGPrax 2021, 33: Streitiges ENZ

Zitat

1. Anhängige Einwände im Sinne des Art. 67 Abs. 1 S. 3 lit. a EuErbVO, die dazu führen, dass ein Europäisches Nachlasszeugnis nicht ausgestellt werden kann, sind nur solche, die anderweitig, also in einem anderen Verfahren anhängig sind. Demgegenüber sind Einwände, die ein Berechtigter unmittelbar gegenüber der Ausstellungsbehörde geltend macht, im Rahmen des Erteilungsverfahrens zu würdigen. Sie stehen nicht per se der Erteilung des Zeugnisses entgegen.
2. "Anhängigkeit" im Sinne des Art. 67 Abs. 1 S. 3 lit. a EuErbVO bedeutet Einreichung einer Klage, mithin die Anhängigkeit eines Rechtsstreits in Bezug auf den zu bescheinigenden Sachverhalt.
3. Das Ausstellungsverfahren für das Europäische Nachlasszeugnis richtet sich grundsätzlich nach dem jeweiligen mitgliedsstaatlichen Verfahrensrecht. Die EuErbVO steht einer unterschiedlichen Prüfungstiefe durch die "Ausstellungsbehörde" nicht entgegen.
4. In der Bundesrepublik Deutschland verweisen die §§ 33 ff. des zur Durchführung der EuErbVO erlassenen IntErbRVG auf das FamFG und damit unter anderem auf § 26 FamFG. Die Prüfungskompetenzen von Nachlassgericht und Beschwerdegericht decken sich.
[43] Lange, DNotZ 2016, 103, 107.
[44] NK-NachfolgeR/Köhler, Art. 66 EuErbVO Rn 1; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rn 17.
[45] Für ein reines Konsensverfahren Milzer, NJW 2015, 2997; dagegen (Erteilung auch bei streitigen Fällen) Zimmermann, ZErb 2015, 342.

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