Rz. 49
Die Entscheidung über den Antrag erfolgt bei Stattgabe durch Ausstellung des ENZ, § 39 Abs. 1 S. 1 IntErbRVG, die Ablehnung durch Beschluss, § 39 Abs. 1 S. 2 IntErbRVG.
Im Unterschied zum nationalen deutschen Erbscheinsverfahren ist für die Erteilung des ENZ kein Feststellungsbeschluss vorgesehen. § 352e FamFG kommt hier nicht zur Anwendung, so dass ein Feststellungsbeschluss – anders als beim Erbschein – nicht ergeht.
Rz. 50
Für die Kostenentscheidung gelten die §§ 80, 81 FamFG. Kostenschuldner ist der Antragsteller, § 22 Abs. 1 GNotKG.
Rz. 51
Für die Ausstellung des ENZ und die Erteilung der beglaubigten Abschrift ist das Formblatt nach Art. 67 Abs. 1 S. 2, 81 Abs. 2 EuErbVO zu verwenden (Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014 der Kommission vom 9.12.2014).
Rz. 52
Inhaltlich können nicht nur die Rechte und Beschränkungen des Erben, sondern auch die Befugnisse des Testamentsvollstreckers oder des Nachlasspflegers wiedergegeben werden. Das ENZ enthält damit sowohl inhaltliche Momente des Erbscheins als auch des Testamentsvollstreckerzeugnisses. Nach Art. 68 lit. i EuErbVO ist auch das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht anzugeben und gegebenenfalls die Umstände, auf deren Grundlage das anzuwendende Recht bestimmt wurde, z.B. bei Anwendung der Ausweichklausel nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO.
OLG München, Beschl. v. 10.2.2020 – 34 Wx 357/17, ZEV 2020, 233: Vorrang des materiellen (hier: österreichischen) Erbrechts vor Richtigkeitsvermutung des ENZ
Zitat
Der Miteigentumsanteil an in Deutschland gelegenem Grundbesitz eines deutschen Staatsangehörigen, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatte und dort verstorben ist, wird, auch bei ausdrücklicher Zuweisung des Grundbesitzes im Europäischen Nachlasszeugnis an einen Miterben, nicht zu Alleineigentum erworben, da nach dem maßgeblichen österreichischen materiellen Erbrecht Universalsukzession eintritt, das österreichische Recht keine dingliche Teilungsanordnung kennt und daher die Richtigkeitsvermutung des Europäischen Nachlasszeugnisses keine Wirkung entfaltet.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.10.2020 – I-3 Wx 158/20, FGPrax 2020, 281: Aufnahme der Daten eines im Ausland gelegenen Grundstücks in das ENZ
Zitat
Bei Erbfällen mit Auslandsberührung kommt nach der vom Senat geteilten herrschenden Meinung (vgl. u.a. OLG München ZEV 2017, 580 = FGPrax 2018, 39; OLG Nürnberg ZEV 2017, 579) die Angabe einzelner Nachlassgegenstände (hier: Eigentumswohnung in Polen) im Europäischen Nachlassverzeichnis unter Anwendung deutschen Erbrechts (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO) nicht in Betracht, insbesondere dann nicht, wenn dem Übergang des gesamten Eigentums ein Erbschaftskauf zugrunde liegt.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 5.4.2017 – 15 W 299/17, ZEV 2017, 579: Zurückweisung der Nachlassbeschwerde wegen unverbindlicher informatorischer Aufnahme eines Grundstücks in das Nachlasszeugnis
Zitat
Die nur unverbindliche informatorische Aufnahme des Grundstücks in das Nachlasszeugnis ist nicht zulässig. Denn eine solche Information, der nicht die Vermutungswirkung und der Vertrauensschutz der EuErbVO zukommen könnte, liefe dem Bestreben, mit dem ENZ ein Instrument mit einem formalisierten Inhalt zu schaffen, das in jedem Mitgliedstaat unproblematisch verwendet werden kann, zuwider.
OGH Wien, Beschl. v. 21.12.2017 – 5 Ob 186/17i, NJW-Spezial 2018, 648 = BeckRS 2017, 140951:
Zitat
Im österreichischen Grundbuch kann die Verbücherung des Eigentumsrechts nach einem Sterbefall durch Vorlage eines deutschen Erbscheins erfolgen; der Vorlage eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ) bedarf es nicht.
OGH Wien, Beschl. v. 15.5.2018 – 5 Ob 35/18k:
Zitat
Ein deutsches ENZ genügt auch ohne Angabe einzelner Nachlassgegenstände als Grundlage für eine Umschreibung im österreichischen Grundbuch, da das maßgebliche deutsche Erbstatut den Übergang der Vermögenswerte im Wege der Universalsukzession vorsieht (Art. 23 Abs. 2 lit. a EuErbVO) und dem ENZ die Vermutungswirkung des Art. 69 EuErbVO zukommt.
Rz. 53
Die Bekanntgabe des ENZ erfolgt durch Übersendung einer beglaubigten Abschrift an den Antragsteller, § 40 IntErbRVG. Die übrigen Beteiligten erhalten einfache Abschriften. Die Unterrichtungspflicht ergibt sich aus Art. 67 Abs. 2 EuErbVO. Dabei ist auf eine deutliche Kennzeichnung als "einfache Abschrift" zu achten. Für die Erteilung einer beglaubigten Abschrift ist ein eigenständiges Verfahren möglich, Art. 70 EuErbVO, 33 Nr. 2 IntErbRVG. Dabei wird das berechtigte Interesse geprüft.
Rz. 54
Wirksam wird das ENZ mit seiner Übergabe an die Geschäftsstelle zum Zweck der Bekanntgabe. § 41 IntErbRVG geht insoweit dem § 40 FamFG vor und entspricht der Regelung des § 287 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und S. 3 FamFG.
Rz. 55
Zu beachten ist die Gültigkeitsfrist der beglaubigten Abschrift eines ENZ. Diese beträgt nach § 70 Abs. 3 EuErbVO sechs Monate. Eine längere Frist ist nur ausnahmsweise auf Antrag zu gewähren. § 42 IntErbRVG bestimmt, dass die Gültigkeitsfrist mit der Erteilung des ENZ beginnt. Für die Fristberechnung...