I. Internationales Erbrecht
Rz. 170
Das schottische internationale Erbrecht entspricht weitgehend dem englischen. Insbesondere wird auch in Schottland – mangels opt in des Vereinigten Königreichs – die EU-Erbrechtsverordnung nicht in Kraft treten. Da das englische bzw. das schottische Kollisionsrecht zugleich auch für die interlokale Rechtskollision gilt, ergibt sich daraus praktisch ein einheitliches interlokales Erbrecht.
Beispiel
Verstirbt ein in Schottland domizilierter Brite mit gewöhnlichem Aufenthalt in London, wird die Verweisung des deutschen IPR zunächst auf das englische Recht zielen. Das gem. Art. 34 Abs. 1 EuErbVO vorrangig anzuwendende englische Kollisionsrecht wird aber für den beweglichen Nachlass auf das schottische Recht weiterverweisen und für ein in Deutschland belegenes Nachlassgrundstück auf das deutsche Recht zurückverweisen.
Rz. 171
Anders als im englischen IPR wird aber die erbrechtliche Nachlassspaltung auch für die Pflichtteilsrechte durchgeführt. Das auf die Pflichtteilsrechte anwendbare Recht wird also an das letzte domicile bzgl. des beweglichen und an den jeweiligen Belegenheitsrecht bzgl. des unbeweglichen Nachlasses angeknüpft. Da die legal rights des schottischen Rechts allein aus dem beweglichen Vermögen zu leisten sind, bleibt außerhalb Schottland belegenes Immobilienvermögen unberücksichtigt. So wurden im Fall Macdonald v. Macdonald die in Kanada belegenen Nachlassgrundstücke eines mit domicile in Schottland verstorbenen Erblassers in die Berechnung der legal rights nicht einbezogen. Ein Schotte könnte daher z.B. schon durch Erwerb von Immobilien die legal rights seiner Angehörigen vermindern.
II. Gesetzliche Erbfolge
Rz. 172
Bei der gesetzlichen Erbfolge steht der Ehegatte an erster Stelle. Ihm rechtlich gleichgestellt ist der Partner aus einer gleichgeschlechtlichen civil partnership. Sie erhalten nach Sect. 8 Succession (Scotland) Act 1964 folgende Positionen (prior rights):
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Das Familienheim (dwelling house) bzw. die Rechte des Verstorbenen hieran, sofern der Wert des im Nachlass befindlichen Anteils abzüglich der Hypothekenbelastungen etc. nicht 473.000 £ übersteigt. Liegt der Wert höher, erhält der überlebende Ehegatten den Betrag von 473.000 £ in bar; |
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Einrichtungsgegenstände (furniture and plenishing) aus dem Nachlass bis zu einem Höchstbetrag von 29.000 £; |
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einen Geldbetrag i.H.v. 50.000 £, wenn der Erblasser Abkömmlinge hinterlässt. Hinterlässt er keine Abkömmlinge, erhöht sich der Betrag auf 89.000 £. Vermächtnisse und Schenkungen von Todes wegen sind anzurechnen. Der Betrag ist vom Erbfall bis zur Auszahlung zu verzinsen – zu einem regelmäßig angepassten Zinsfuß; |
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von dem Rest erhält der Ehegatte eine Quote von ⅓ (neben Abkömmlingen) bzw. ½ (neben Verwandten des Erblassers der zweiten Ordnung; siehe Rdn 174). Sind keine Verwandten der ersten beiden Ordnungen vorhanden, so wird er gesetzlicher Alleinerbe. |
Rz. 173
Der Ehegatte bzw. der Partner aus einer gleichgeschlechtlichen civil partnership erhält also auch neben Abkömmlingen des Erblassers im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge u.U. Nachlass im Wert von mindestens 552.000 £. Bei kleineren Nachlässen ist er somit häufig Alleinerbe.
Rz. 174
Der Rest des Nachlasses (free estate) wird in folgenden Erbordnungen vererbt:
1. |
Die Kinder des Erblassers. An die Stelle vorverstorbener Kinder treten deren Abkömmlinge. Adoptierte und uneheliche Abkömmlinge sind seit 1986 vollständig ehelichen gleichgestellt; |
2. |
die Eltern und die Geschwister des Erblassers, jeweils zur Hälfte. Sind nur Eltern oder nur Geschwister vorhanden, fällt ihnen der gesamte Nachlass zu. Vollbürtige gehen halbbürtigen Geschwistern im Rang vor; |
3. |
der Ehegatte bzw. der Partner aus einer gleichgeschlechtlichen civil partnership; |
4. |
Onkel und Tanten nach Köpfen; |
5. |
Großeltern nach Köpfen; |
6. |
weitere Vorfahren und deren Geschwister. |
Rz. 175
Daneben haben seit 2006 auch nichteheliche Lebensgefährten die Möglichkeit auf eine Beteiligung am Nachlass. Vorausgesetzt, dass der verstorbene Lebensgefährte sein domicile in Schottland hatte, kann der überlebende Lebenspartner, der mit dem Erblasser wie in einer Ehe bzw. einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (civil partnership) zusammengelebt hat, innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt des Erbfalls bei Gericht die Zuweisung eines bestimmten Geldbetrages oder bestimmter Gegenstände aus dem Nachlass beantragen. Die Zuweisung liegt im Ermessen des Gerichts. Die Obergrenze liegt bei dem gesetzlichen Erbteil eines Ehegatten.