Rz. 279
Die EuErbVO gilt in Norwegen nicht, da Norwegen kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist. Das Erbstatut wird seit Inkrafttreten des neuen Erbgesetzes am 1.1.2021 an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers angeknüpft, Art. 78 ErbG. Rückverweisungen werden aus norwegischer Sicht nicht beachtet. Das Haager Testamentsformübereinkommen gilt für das Königreich Norwegen seit dem 1.1.1973.
Rz. 280
Das norwegische Erbrecht ist mit Wirkung vom 1.1.2021 im Erbgesetz von 2019 geregelt. Im Pflichtteilsrecht besteht die Besonderheit, dass die quotenmäßig bestimmten Pflichtteile betragsmäßig begrenzt sind. So erhalten die Abkömmlinge (livesarvinger) zwei Drittel des Nachlasses als Pflichtteil (pliktelsarv). Der Erblasser kann daher nur über ein Drittel des Nachlasses frei verfügen (frie tredjedel bzw. friarv). Der Pflichtteil ist aber für jedes Kind auf das 15-fache des Grundbetrages in der Sozialversicherung nach oben gedeckelt. Abkömmlinge eines vorverstorbenen Kindes treten in diesen Betrag ein. Sind mehr als fünf Abkömmlinge vorhanden, so erhalten diese pro Kopf höchstens 200.000 NOK. Der Erblasser kann auch anordnen, dass ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling seinen Pflichtteil in Geld oder in Form von bestimmten Gegenständen aus dem Nachlass erhält.
Rz. 281
Der überlebende Ehegatte kann die gesetzliche Gütergemeinschaft fortsetzen (uskifte) und macht in aller Regel hiervon auch Gebrauch, so dass er die pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge vorläufig von der Erbfolge ausschließt. Die uskifte endet automatisch mit der Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten sowie bei Eingehung einer dauerhaften Lebensgemeinschaft.
Rz. 282
Der überlebende Ehegatte erhält einen Mindestbetrag in Höhe des vierfachen Grundbetrages der Volksversicherung (grunnbeløpet i folketrygden), wenn der Erblasser Abkömmlinge hinterlässt. In allen anderen Fällen erhöht sich der Betrag auf das Sechsfache des Grundbetrages. Das gilt auch für den überlebenden Partner aus einer gleichgeschlechtlichen Ehe. Der (einfache) Grundbetrag wurde mit Wirkung vom 1.5.2023 an auf 116.239 NOK (ungefähr 10.184 EUR) festgesetzt. Er wird regelmäßig der Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepasst und muss daher aktuell recherchiert werden. Daneben ist der überlebende Ehegatte durch das Güterrecht geschützt, wonach er die kraft Gesetzes geltende Gütergemeinschaft nach dem Tod des Erblassers fortsetzen kann (uskifte, siehe Rdn 281). Kommt es zur Teilung der Gütergemeinschaft, so kann er einen großen Teil des von seiner Seite in die Gemeinschaft gefallenen Vermögens vor der Teilung herausziehen.
Rz. 283
Der nichteheliche Lebensgefährte erhält den Grundbetrag ebenfalls im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge vorab, auch vorrangig gegenüber Kindern des Erblassers. Voraussetzung für die Entstehung des Erbrechts ist aber, dass die Lebensgefährten gemeinsame Kinder haben oder erwarten oder dass sie mindestens die letzten fünf Jahre vor dem Erbfall in eheähnlicher Gemeinschaft zusammengelebt haben und der Verstorbene den Pflichtteil testamentarisch angeordnet hat. Anders als dem Ehegatten kann der Erblasser aber dem nichtehelichen Lebensgefährten diesen Anteil am Nachlass testamentarisch entziehen, vorausgesetzt, dass er den überlebenden nichtehelichen Lebensgefährten vor seinem Tod über die Verfügung in Kenntnis setzt.
Rz. 284
Ein Verzicht auf den Erb- und den Pflichtteil kann durch Vertrag mit dem Erblasser vereinbart werden.