Rz. 92
Umstritten ist die kollisionsrechtliche Einordnung (Qualifikation) der Wirksamkeit derartiger Vereinbarungen. Da sie die Vereinbarung der Gütergemeinschaft bzw. das Bestehen eines vergemeinschaftenden Güterstands voraussetzen und die Teilung des ehelichen Gesamtgutes betreffen, liegt eine güterrechtliche Qualifikation (Art. 27 EuGüVO bzw. Art. 15 EGBGB a.F.) nahe. Das entspricht auch der allgemeinen Ansicht in der französischen Rechtsprechung und Literatur. Da es sich bei den avantages matrimoniaux um eine Regelung ausschließlich für die Auflösung der Ehe durch Tod handelt, könnte man diese auch als Verfügung von Todes wegen einordnen. Hierbei darf jedoch nicht vergessen werden, dass diese Qualifikation keine Auswirkungen auf Pflichtteilsrechte hat. Diese bleiben auch nach der Ansicht, die die Zulässigkeit dem Güterstatut unterstellt, in jedem Fall erbrechtlich zu qualifizieren.
Rz. 93
Beispiele
Leben Franzosen in Frankreich und haben sie Gütergemeinschaft mit stipulations de parts inégales vereinbart, so gilt auch für ihr in Deutschland belegenes Vermögen französisches Güter- wie auch Erbstatut (Art. 26 EuGüVO; Art. 21 EuErbVO). Sowohl die Vereinbarung der Gütergemeinschaft als auch die Bindungswirkung der Anwachsungsklausel und ihres Vorrangs vor den Pflichtteilsrechten sind nach französischem Recht zu beurteilen. Schwieriger wird es, wenn die Eheleute nach Deutschland umziehen und ein Ehegatte mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland verstirbt. Dann ist deutsches Recht Erbstatut. Für die Vereinbarung der Gütergemeinschaft gilt dagegen weiterhin das französische Recht. Qualifiziert man in Deutschland die Vereinbarung der avantages matrimoniaux erbrechtlich, wäre die materielle Wirksamkeit der Zuwendung an den Überlebenden nach dem damaligen französischen Aufenthaltsrecht zu behandeln (Art. 25 Abs. 1, 21 Abs. 1 EuErbVO). Sie wäre demnach wirksam. Ob durch eine derartige Vereinbarung Pflichtteilsergänzungsansprüche ausgelöst werden, ist wegen der Geltung deutschen Erbstatuts (Art. 21 EuErbVO) nach § 2325 BGB zu beurteilen. Das wird regelmäßig noch nicht für die Herbeiführung der Gütergemeinschaft gelten. Ergänzungspflichtig dürfte dagegen die Vereinbarung sein, soweit sie von dem Grundsatz der hälftigen Teilung abweicht.
Rz. 94
Die Praktikabilität dieser Konstruktion wird allerdings dadurch eingeschränkt, dass nach französischem Recht güterrechtliche Vereinbarungen nur vor der Eheschließung frei getroffen werden können. Änderungen des Güterstands während der Ehe sind nur durch Vertrag möglich, der frühestens zwei Jahre nach Eheschließung bzw. der letzten vertraglichen Modifikation des Güterstands abgeschlossen werden darf. Das bis 2006 bestehende Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung der Vereinbarung zur Sicherstellung, dass die Vereinbarung dem "Interesse der Familie" entspricht (homologation, Art. 1397 c.c.), ist zwar eingeschränkt worden. Eine Homologation durch das Gericht am Wohnsitz der Eheleute ist aber weiterhin erforderlich, wenn einer der Ehegatten minderjährige Kinder hat (Art. 1397 Abs. 5 c.c.) oder wenn einer der Gläubiger innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung im Amtsblatt dem Wechsel des Güterstands widerspricht.
Rz. 95
Die Vereinbarung ist gem. Art. 1397 Abs. 1 c.c. nur zulässig, wenn sie den Interessen der Familie dient. Dabei kann aber auch eine Vereinbarung, die nur einem Mitglied der Familie oder allein dem Ehegatten dient, im Interesse der Familie liegen. Dies gilt z.B. dann, wenn die Vereinbarung der Sicherung der Ehefrau und Mutter dient, die die Berufstätigkeit aufgibt, um die Kinder zu erziehen, oder über kein eigenes Vermögen verfügt. Dennoch sind mit der Homologation Unsicherheiten, Verfahrenskosten – es ist ein französischer Rechtsanwalt zu beauftragen – und ein Zeitaufwand von durchschnittlich einem halben Jahr verbunden. Diese werden dadurch noch vergrößert, dass die Praxis der Gerichte bei der Prüfung der Vereinbarungen sehr unterschiedlich ist.
Rz. 96
Vereinfacht wird das ganze Prozedere ab dem 1.1.2007 dadurch, dass die Homologation entfällt, wenn die Eheleute keine Kinder haben oder sämtliche Kinder volljährig sind und nach Benachrichtigung von dem geplanten Güterstandswechsel diesem nicht innerhalb von drei Monaten widersprechen. Das Erfordernis der Homologation entfällt aus französischer Sicht vollständig, wenn die Eheleute bisher im ausländischen Güterstand gelebt haben und mit Abschluss des Ehevertrages durch eine damit verbundene Rechtswahl erstmalig das französische Güterrecht anwendbar wird.