Rz. 477
Den Abkömmlingen steht als Pflichtteil insgesamt zwei Drittel des Nachlasses zu. Eigenheit des spanischen Rechts ist die noch auf das Recht der westgotischen Könige zurückgehende Teilung des Nachlasses in drei Teile: Neben einem "freien Drittel", über das der Erblasser nach Belieben von Todes wegen und unter Lebenden verfügen kann (el tercio de libre dispisición), und einem weiteren streng pflichtteilsgebundenen Drittel (legítima estricta) des Nachlasses, das den Abkömmlingen (heredos forzosos) zwingend zu gleichen Teilen zusteht, tritt ein "Aufbesserungsdrittel" (el tercio de mejora), das ebenfalls zwingend den Abkömmlingen zusteht, über das der Erblasser aber zugunsten eines oder mehrerer der Abkömmlinge verfügen kann, Art. 823 ff. CC. Soweit der Erblasser keine Verfügung über das Aufbesserungsdrittel vorgenommen hat, wird es wie das streng pflichtteilsgebundene Drittel unter den Pflichtteilsberechtigten gleichmäßig verteilt. Diese Kombination wahrt die Familiengebundenheit des pflichtteilsgebundenen Vermögensteils, gibt dem Erblasser aber in diesem Rahmen eine gewisse Dispositionsfreiheit, insbesondere bei der Zuweisung von landwirtschaftlichen bzw. gewerblichen Betrieben oder anderen größeren Vermögenseinheiten, die nicht geteilt werden sollen.
Rz. 478
Die Noterbteile werden nach einem Nachlass berechnet, der aus dem vom Erblasser hinterlassenen Vermögen nach Abzug der Schulden (Reinnachlass, relictum) zuzüglich der anrechnungspflichtigen lebzeitigen Schenkungen (donatum) gebildet wird. Der Noterbteil bezieht sich also nicht auf eine Quote des tatsächlich hinterlassenen Nachlasses, sondern auf einen entsprechend erhöhten Nachlass. Er stellt daher eine wert- und nicht eine quotenmäßige Beteiligung am Nachlass dar. Durch Schenkungen unter Lebenden kann eine Person gem. Art. 636 CC nur so weit über ihr Vermögen verfügen, wie sie durch Testament verfügen könnte. Bei der Berechnung des für die Pflichtteilsrechte maßgeblichen Nachlasses sind dem tatsächlich hinterlassenen Netto-Nachlass sämtliche lebzeitigen Schenkungen hinzuzurechnen, soweit sie der Kollation unterliegen, Art. 818 Abs. 2 CC.
Rz. 479
Umgekehrt hat sich ein Noterbe gem. Art. 819 CC die ihm vom Erblasser lebzeitig zugewandten Schenkungen auf seinen Pflichtteil anrechnen zu lassen. Nach der Rechtsprechung ist dabei die zwischenzeitlich eingetretene Geldentwertung zu berücksichtigen, indem die Bewertung nicht mit dem Wert bei Schenkung erfolgt, sondern mit dem Wert, den das Objekt zum Zeitpunkt des Erbfalls hätte. Dabei ist die Bewertung insoweit hypothetisch, als der Zustand der Sache bei Schenkung zugrunde gelegt wird, so dass zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterungen oder Verbesserungen der Sache zugunsten bzw. zu Lasten des Erwerbers gehen.
Rz. 480
Die Verfügung über das Aufbesserungsdrittel kann durch Testament erfolgen, etwa indem der Erblasser das Drittel einem oder mehreren Abkömmlingen durch Erbeinsetzung oder durch Vermächtnis bestimmter Gegenstände bzw. einer Geldsumme zuweist. Übersteigt der Wert des zugewiesenen Gegenstands das Aufbesserungsdrittel zuzüglich des dem "Aufgebesserten" zustehenden Anteils am "strengen" Pflichtteilsdrittel, kann der Aufgebesserte den Gegenstand behalten, muss aber den Überschuss den anderen Noterben gem. Art. 829 CC vergüten.
Rz. 481
Auch unter Lebenden kann über das Aufbesserungsdrittel bindend verfügt werden, indem der Erblasser ausdrücklich erklärt, dass eine bestimmte Schenkung das Aufbesserungsdrittel belaste, Art. 825 ff. CC. Dies kann durch Schenkungsvertrag mit den Abkömmlingen, notariellen Ehevertrag oder entgeltlichen Vertrag mit Dritten erfolgen. Gem. Art. 831 CC kann die Verfügung über das Aufbesserungsdrittel durch Testament oder Ehevertrag sogar dem überlebenden Ehegatten nach dessen Ermessen überlassen werden.
Rz. 482
Im Übrigen sind Kindern gemachte Schenkungen auf deren (strengen) Noterbteil anzurechnen, Art. 819 Abs. 1 CC, lassen also das Aufbesserungsdrittel zugunsten der Testierfreiheit des Erblassers frei.