I. Internationales Erbrecht
1. Europäische Erbrechtsverordnung
Rz. 510
Für ab dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle ist in Tschechien das Erbstatut nach den Vorschriften der EuErbVO zu bestimmen. Dabei ist für die Formwirksamkeit eines Testaments Art. 27 EuErbVO anzuwenden, da Tschechien das Haager Testamentsformabkommen nicht ratifiziert hat.
2. Auf vor dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle anwendbares Recht
Rz. 511
Für die Erbfälle, die vor dem 17.8.2015 eingetreten sind, ist zu differenzieren, ob diese vor oder nach dem 1.1.2014 eingetreten sind.
§ 17 des – vormals tschechoslowakischen – Gesetzes der Tschechischen Republik über das Internationale Privat- und Prozessrecht vom 4.12.1963 knüpfte das Erbstatut an die Staatsangehörigkeit des Erblassers an. Für die Formwirksamkeit eines Testaments ließ § 18 Abs. 2 auch die Einhaltung der vom Recht des Errichtungsortes vorgeschriebenen Form genügen.
Rz. 512
Am 1.1.2014 ist ein neues Gesetz zum Internationalen Privat- und Prozessrecht in Kraft getreten. Hierdurch wurde bereits vor der Anwendung der EuErbVO das Staatsangehörigkeitsprinzip durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers ersetzt. Hatte ein tschechischer Staatsangehöriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, so bleibt allerdings das tschechische Recht anwendbar, solange noch wenigstens ein Erbe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Tschechischen Republik hat. Für die materielle Wirksamkeit eines Testaments genügt es, wenn dieses dem Heimatrecht oder dem am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers geltenden Recht entspricht. Auch wurde die Möglichkeit geschaffen, das Erbstatut durch Rechtswahl zu bestimmen. Der Erblasser kann das Recht des Staates wählen, dem er angehört oder in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
II. Gesetzliche Erbfolge
Rz. 513
Das Erbrecht ist ab dem 1.1.2014 durch das neue Zivilgesetzbuch geregelt. Inhaltlich kommt hier die historische Verbundenheit mit dem österreichischen Recht umfangreich wieder zum Vorschein.
Rz. 514
Die Kinder des Erblassers erben zusammen mit dem Ehegatten oder dem eingetragenen Lebenspartner zu gleichen Teilen nach Köpfen. Es tritt Erbfolge nach Stämmen ein. In zweiter Ordnung erbt der Ehegatte oder der eingetragene Lebenspartner mit einer Quote von mindestens einem Halb neben den Eltern des Erblassers und solchen Personen, die mit dem Erblasser bis zu seinem Tod mindestens ein Jahr lang in Hausgemeinschaft gelebt haben. Unter die letztgenannte Gruppe der Hausgenossen fallen insbesondere Stiefkinder, Pflegekinder, nichteheliche Lebensgefährten oder auch der geschiedene Ehegatte. Sind keine weiteren Erben aus der zweiten Ordnung vorhanden, wird der Ehegatte gesetzlicher Alleinerbe.
Rz. 515
Dem Ehegatten erbrechtlich gleichgestellt ist seit dem 1.7.2006 der Partner aus einer gleichgeschlechtlichen Eingetragenen Lebenspartnerschaft.
III. Testamentarische Erbfolge
Rz. 516
Das neue ZGB sieht erheblich weitere Gestaltungsmöglichkeiten vor als das davor geltende kommunistische ZGB. Der Erblasser kann in einem Testament Erben einsetzen oder Vermächtnisse aussetzen. Bedingungen zu Erbeinsetzungen sind möglich. Vor- und Nacherbfolge werden ebenfalls wieder in das tschechische Recht eingeführt, § 1512 ZGB. Möglich sind nun auch die Testamentsvollstreckung sowie der Abschluss von Erbverträgen. Das gemeinschaftliche Testament ist dagegen weiterhin nicht anerkannt.
IV. Pflichtteilsrecht
Rz. 517
Pflichtteilsberechtigt sind ausschließlich die Abkömmlinge des Erblassers. Der Ehegatte und der Partner aus einer gleichgeschlechtlichen Eingetragenen Lebenspartnerschaft haben keinen Pflichtteil, ebenso wenig die Aszendenten oder die Hausgenossen. Minderjährige Abkömmlinge erhalten drei Viertel ihres gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil. Volljährige Abkömmlinge bekommen die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Durch das neue ZGB hat sich insoweit eine Änderung ergeben, als der Pflichtteil nun nicht mehr in einer Beteiligung am Nachlass besteht, sondern der Pflichtteilsberechtigte eine Geldforderung erhält, die er gegen die Erben geltend machen muss.
Lebzeitige Schenkungen des Erblassers werden dem Nachlass nicht zugerechnet. Sie wirken sich insoweit also pflichtteilsmindernd aus. Auf den Pflichtteil wird alles angerechnet, was der Pflichtteilsberechtigte aus dem Nachlass erwirbt oder was er vom Erblasser zu Lebzeiten geschenkt erhalten hat, wenn die Schenkung in den letzten drei Jahren vor dem Eintritt des Erbfalls erfolgt ist oder der Erblasser die Anrechnung auf den Pflichtteil angeordnet hat. Auch Ausstattungen außerhalb der Drei-Jahres-Frist sind auf den Pflichtteil anzurechnen, es sei denn, der Erblasser hat von der Anrechnung dispensiert.
Rz. 518
Die Enterbung eines Abkömmlings ist durch Testament, das den Grund der Enterbung nennen muss, möglich, wenn dieser dem Erblasser bei Krankheit, im Alter oder in ande...