I. Internationales Erbrecht
Rz. 521
Die Erbfolge unterliegt gem. Art. 20 Abs. 1 des türkischen Gesetzes über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht dem Heimatrecht des Erblassers. Ausgenommen ist das in der Türkei belegene Immobilienvermögen, welches nach dem türkischen Belegenheitsrecht vererbt wird. Darüber hinaus unterliegen auch die Eröffnung des Erbgangs, der Erwerb und die Teilung der Erbschaft dem jeweiligen Belegenheitsrecht, also die gesamte Nachlassabwicklung, Art. 20 Abs. 2 des Gesetzes. Für das auf die Form des Testaments anwendbare Recht gilt seit dem 22.10.1983 für die Türkei das Haager Testamentsformübereinkommen.
Rz. 522
Im deutsch-türkischen Verhältnis bestimmt sich das auf die Erbfolge anwendbare Recht nach den §§ 14 ff. der Anlage zu Art. 20 des Deutsch-Türkischen Konsularvertrages vom 28.5.1929 (Nachlassabkommen). Dieses Abkommen gilt laut Bekanntmachung vom 26.2.1952 auch nach dem Krieg im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei fort. Gem. Art. 75 Abs. 1 EuErbVO ist das Abkommen nach Anwendbarkeit der EuErbVO im Verhältnis zu Deutschland weiterhin vorrangig anwendbar.
Gem. § 14 des Nachlassabkommens bestimmen sich die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des beweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte (Abs. 1), und in Ansehung des unbeweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt (§ 14 Abs. 2). Auch hiernach unterliegt die Erbfolge grundsätzlich dem Heimatrecht des Erblassers, die einer in der Türkei belegenen Immobilie dem türkischen Recht. Es tritt aber Nachlassspaltung ein. Für in Deutschland belegenen unbeweglichen Nachlass gilt nach einem türkischen Erblasser zwingend deutsches Recht.
Rz. 523
Das Nachlassabkommen erfasst gem. Art. 20 des Konsularvertrages ausschließlich das im jeweiligen Empfangsstaat belegene Vermögen. Das bedeutet, dass bei einem mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei verstorbenen Rentner mit deutscher Staatsangehörigkeit das Abkommen ausschließlich das in der Türkei belegene bewegliche Vermögen (deutsches Heimatrecht) und das in der Türkei belegene unbewegliche Vermögen (türkisches Belegenheitsrecht) erfasst. Hinsichtlich des in Deutschland sowie in Drittstaaten belegenen Vermögens gilt aus deutscher Sicht das nach den Regeln der EuErbVO bestimmte Recht. Hier verweist Art. 21 Abs. 1 EuErbVO – sollte der Erblasser nicht deutsches Heimatrecht als Erbstatut gewählt haben, Art. 22 EuErbVO – auf das türkische Recht. Da diese Verweisung gem. Art. 34 Abs. 1 EuErbVO auch das türkische IPR umfasst, wird sich hinsichtlich des in Deutschland belegenen unbeweglichen Nachlasses aus Art. 20 türk. IPR eine Rückverweisung auf die deutsche lex rei sitae und hinsichtlich des in Deutschland und in Drittstaaten belegenen beweglichen Vermögens eine Rückverweisung auf das deutsche Heimatrecht ergeben.
Rz. 524
Verstirbt ein türkischer Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, so ergibt sich hinsichtlich des in Deutschland belegenen unbeweglichen Nachlasses aus Art. 14 Nachlassabkommen die Geltung der deutschen lex rei sitae und hinsichtlich des in Deutschland belegenen beweglichen Nachlasses die Geltung des türkischen Heimatrechts. Hinsichtlich des übrigen, insbesondere auch des in der Türkei belegenen Nachlasses dagegen kommt aus deutscher Sicht gem. Art. 21 EuErbVO das deutsche Aufenthaltsrecht zur Anwendung, während aus türkischer Sicht gem. Art. 20 des türkischen IPRG türkisches Heimatrecht (bewegliches Vermögen) bzw. türkisches Belegenheitsrecht (Immobilien) anzuwenden ist.
Ein weiterer Unterschied zur EuErbVO ergibt sich daraus, dass das Nachlassabkommen für Testamente und Erbverträge kein Errichtungsstatut vorsieht.
Rz. 525
Für die Formwirksamkeit letztwilliger Verfügungen lässt Art. 16 Abs. 1 des Nachlassabkommens alternativ die Formwirksamkeit nach dem Ortsrecht und nach dem Heimatrecht des Erblassers bei Errichtung genügen. Da sowohl Deutschland als auch die Türkei zwischenzeitlich dem Haager Testamentsformübereinkommen beigetreten sind, dürften dessen Bestimmungen jedoch vorrangig anwendbar sein.
Rz. 526
Im deutsch-türkischen Rechtsverkehr sind gem. § 15 des Deutsch-Türkischen Nachlassabkommens für Pflichtteilsklagen in Bezug auf den beweglichen Nachlass die Gerichte des Heimatstaates zuständig. Für das unbewegliche Vermögen sind die Gerichte des Belegenheitsstaates zuständig. Praktisch führt das zum Gleichlauf von forum und lex. Diese Zuständigkeit ist nach herkömmlicher Auffassung als eine ausschließliche auszulegen. Deutsche Gerichte sind also unzuständig, wenn es um Pflichtteilsklagen in Bezug auf den beweglichen Nachlass eines türkischen Erblassers geht. Die Ausstellung eines Fremdrechtserbscheins für den im Inland belegenen beweglichen Nachlass des Türken ist allerdings zulässig. Die internationale Zuständigkeit deutscher Prozess- und Nachlassgerichte fehlt ebenfalls für die Erbfolge nach ...