I. Internationales Erbrecht
1. Europäische Erbrechtsverordnung
Rz. 541
Für alle ab dem 17.8.2015 eingetretenen Erbfälle bestimmt sich in Ungarn das anwendbare Erbrecht nach den Regeln der EuErbVO. Da Ungarn das Haager Testamentsformübereinkommen nicht ratifiziert hat, gilt Art. 27 EuErbVO auch für die Form einseitiger und gemeinschaflticher Testamente. Die Ausstellung des ENZ obliegt den Notaren.
2. Erbfälle vor dem 17.8.2015
Rz. 542
Das IPR war in Ungarn bis 2017 in der am 1.7.1979 in Kraft getretenen Gesetzesverordnung über das Internationale Privatrecht (IPR-VO) gesetzlich geregelt. Diese unterstellt in § 36 Abs. 1 erbrechtliche Verhältnisse dem Personalstatut des Erblassers. Personalstatut wiederum ist gem. § 11 Abs. 1 S. 1 IPR-VO das Heimatrecht des Erblassers. Rückverweisungen werden aus ungarischer Sicht beachtet, Art. 4 IPR-VO.
Rz. 543
Ungarn hat das Haager Testamentsformübereinkommen nicht ratifiziert. Für die Formwirksamkeit eines Testaments enthält § 36 Abs. 2 IPR-VO jedoch alternative Anknüpfungen, die Art. 1 des Testamentsformübereinkommens bzw. Art. 26 Abs. 1 EGBGB inhaltlich weitgehend entsprechen.
Rz. 544
Das zwischen Österreich und Ungarn bestehende Übereinkommen über Nachlassangelegenheiten ist gem. Art. 72 Abs. 2 EuErbVO durch die EuErbVO vollständig verdrängt worden.
II. Gesetzliche Erbfolge
Rz. 545
Das materielle Erbrecht ist in Buch 7 des neuen Bürgerlichen Gesetzbuchs von 2013 geregelt, das alle nach dem 15.3.2014 eingetretenen Erbfälle erfasst.
Rz. 546
Gesetzliche Erben erster Ordnung sind die Kinder des Erblassers. Vorverstorbene Kinder werden durch ihre Abkömmlinge vertreten. Adoptivkinder und uneheliche Kinder erben zu gleichen Teilen wie eheliche. Es tritt Repräsentation und Erbfolge nach Stämmen ein.
Gibt es keine Abkömmlinge, so erben die Eltern des Erblassers. An die Stelle eines vorverstorbenen Elternteils treten dessen Abkömmlinge, also die Geschwister des Erblassers. Hinterlässt der vorverstorbene Elternteil keine Abkömmlinge, so fällt sein Teil dem anderen Elternteil bzw. dessen Abkömmlingen zu.
Rz. 547
Der Ehegatte wird nach dem neuen Recht neben Abkömmlingen des Erblassers Erbe mit einem Kindes-Erbteil. Daneben erhält er den lebenslangen Nießbrauch an der mit dem Erblasser gemeinsam bewohnten Wohnung und den dazu gehörenden Einrichtungsgegenständen, Art. 7:58 ZGB. Voraussetzung für das Erbrecht des Ehegatten ist nicht nur der Fortbestand der Ehe bis zum Erbfall, sondern auch der Fortbestand der ehelichen Gemeinschaft. Es entfällt das Ehegattenerbrecht, wenn beim Erbfall keine eheliche Gemeinschaft bestand und es offensichtlich keine Aussicht auf Wiederherstellung der Gemeinschaft gab.
Erbt der Ehegatte gemeinsam mit den Eltern des Erblassers, so erhält er an diesen Gegenständen nicht den Nießbrauch, sondern das volle Eigentum. Daneben erhält er neben beiden Elternteilen die Hälfte des verbleibenden Nachlasses. Ist einer der Eltern vorverstorben, so teilt sich der Ehegatte mit dem überlebenden Elternteil das diesem zukommende Viertel. Leben beide Eltern nicht mehr, so wird der Ehegatte gesetzlicher Alleinerbe.
Rz. 548
Noch vor der Nachlassteilung erhält der überlebende Ehegatte seinen Anteil am ehelichen Gesamtgut. Der gesetzliche Güterstand des ungarischen Rechts wird als "Gütergemeinschaft" bezeichnet. Inhaltlich handelt es sich aber um eine Form Errungenschaftsgemeinschaft, da sich die Gemeinschaft nicht auf voreheliches und durch Schenkung oder Erbschaft erworbenes Vermögen erstreckt.
Rz. 549
Dem Ehegatten familienrechtlich gleichgestellt ist seit dem 1.1.2009 der gleichgeschlechtliche Partner aus einer "registrierten Partnerschaft". Ein Erbrecht steht dem eingetragenen Lebenspartner sowohl als gesetzliches Erbrecht wie auch als Pflichtteilsrecht nicht zu. Er wird gem. Art. 3 des ungarischen Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft einem Ehegatten erbrechtlich gleichgestellt.
Rz. 550
Bei Fehlen von Abkömmlingen ("zweite Ordnung") wird der Ehegatte neben den Eltern des Erblassers Miterbe zur Hälfte. Ist ein Elternteil vorverstorben, so teilt sich der Ehegatte das diesem zukommende Viertel mit dem überlebenden Elternteil. Daneben erhält der Ehegatte die eheliche Wohnung zu Eigentum. Ausgenommen von seinem Erbrecht ist allerdings gem. § 7:67 ff. ZGB das sog. Rückfallgut, also das Vermögen, das der Erblasser durch Schenkung oder Erbfolge von seinen Eltern erhalten hat bzw. von einem Seitenverwandten, wenn jener es wiederum von einem Aszendenten des Erblassers geerbt oder als Geschenk erhalten hat. Das Rückfallgut fällt so in den Zweig der Familie zurück, aus dem es stammt. Dabei hat der Rückfallberechtigte zu beweisen, dass es sich um Rückfallgut handelt. Die gesetzliche Vermutung geht also dahin, dass es sich nicht um Rückfallgut handelt. Auch Rückfallgut wird mit dem Witwenrecht belastet. Als Rückfallerben berufene Eltern des Erblassers kommen daher regelmäßig nicht mehr in den vollen Genuss des Rückfallvermögens.
Rz. 551
War der Erblasser unverheiratet – bzw. lebte er von seinem Ehegatten faktisch getrennt – und hatte er keine Abkömmlinge, beerben ihn seine Elte...