Rz. 217
Das italienische Recht kennt die Pflichtteilsentziehung nicht. Allein dem Erbunwürdigen kann durch Gestaltungsklage, Art. 563 C.C., der Pflichtteil entzogen werden. Der Pflichtteil ist dem Pflichtteilsberechtigten vom Erblasser lastenfrei und ohne Bedingungen zu hinterlassen, Art. 549 C.C. Lasten und Bedingungen auf dem Pflichtteil sind also ipso iure unwirksam. Einen Ausweg stellt die sog. cautela sociniana dar: Hat der Erblasser einem Pflichtteilsberechtigten einen (über den Pflichtteil hinausgehenden) Erbteil zugewandt, den Erbteil aber testamentarisch mit einem Nießbrauch oder einer Rente belastet, die auch in den Pflichtteil des Bedachten eingreift, so muss der Noterbe gem. Art. 550 Abs. 1 C.C. wählen, ob er die Zuwendung mitsamt der Last hinnimmt oder aber sich auf seinen unbelasteten Pflichtteil zurückzieht und das seine Pflichtteilsquote übersteigende Eigentum aufgibt. Der durch die Rente bzw. dem Nießbrauch Begünstigte erwirbt dann je nachdem den Nießbrauch bzw. die Rente oder aber das volle Eigentum an dem vom Noterben aufgegebenen pflichtteilsfreien Vermögen, Art. 550 Abs. 1 S. 2 C.C.
Rz. 218
Kommt es dem Erblasser darauf an, einen Pflichtteilsberechtigten von der Erbengemeinschaft auszuschließen oder eine bestimmte Teilung des Nachlasses herbeizuführen, kann er diesem ein Vermächtnis anstelle des Pflichtteils zuwenden. Ein solches Vermächtnis (legato in sostituzione di legittima) belastet nicht den pflichtteilsfreien (frei verfügbaren), sondern den pflichtteilsgebundenen Teil des Nachlasses – zumindest soweit der Wert des Vermächtnisses den Pflichtteil des Noterben nicht übersteigt. Der Noterbe kann dann gem. Art. 551 Abs. 1 C.C. seinen Pflichtteil als dingliche Beteiligung als Miterbe am Nachlass in Höhe seiner Noterbquote nur verlangen, wenn er auf das Vermächtnis verzichtet. Um das Vermächtnis attraktiver zu gestalten und eine Ausschlagung des Vermächtnisses zu vermeiden, kann der Erblasser gem. Art. 551 Abs. 2 S. 2 C.C. dem Pflichtteilsberechtigten das Recht einräumen, neben dem Vermächtnis eine Ergänzung des Pflichtteils zu verlangen (legato in conto di legittima).
Rz. 219
Schließlich kann der Pflichtteilsberechtigte das Erbe ausschlagen, die ihm zugewandten Vermächtnisse und lebzeitigen Schenkungen aber akzeptieren – soweit nicht die Ausschlagung dazu führt, dass ein Dritter in das Erbrecht eintritt. In diesem Fall unterliegen die Vermächtnisse, soweit sie die pflichtteilsfreie Quote übersteigen, aber der Herabsetzung in dem Umfang, wie wenn der Vermächtnisempfänger das Erbe nicht ausgeschlagen hätte, Art. 552, 521 C.C.