I. Internationales Erbrecht
1. Grundsätze zur Bestimmung des Erbstatuts
Rz. 560
In den USA ist das Zivilrecht interlokal gespalten. Jeder der 50 Einzelstaaten hat nicht nur ein eigenes materielles Erbrecht, sondern auch ein eigenes Erbkollisionsrecht. Dabei gelten sowohl im Verhältnis der Erbrechtssysteme einzelner US-Staaten untereinander (interlokal) als auch im Verhältnis zum Erbrecht ausländischer Staaten (internationales Erbrecht) in den meisten US-Staaten dieselben Regeln, nämlich die mit dem englischen common law übernommenen kollisionsrechtlichen Regeln. In einigen US-Staaten gelten diese noch gewohnheitsrechtlich fort, während sie in manchen schon kodifiziert worden sind. Ausnahmen gelten insoweit allein für Louisiana, Puerto Rico und Mississippi.
Rz. 561
Dementsprechend wird in der Mehrzahl der US-Staaten die Erbfolge des unbeweglichen Vermögens (immovable property) bei gesetzlicher wie testamentarischer Erbfolge dem jeweiligen Belegenheitsrecht unterstellt. Für die Erbfolge des beweglichen Vermögens (movable property) wird auf das Recht am letzten domicile des Erblassers verwiesen. Das Belegenheitsrecht entscheidet dabei auch, ob es sich bei einem dort belegenen Gegenstand um bewegliches oder unbewegliches Vermögen handelt (Qualifikationsverweisung).
Rz. 562
Das domicile i.S.d. US-amerikanischen Rechtsordnungen erfordert eine Verbindung zu einem bestimmten Rechtsgebiet, die enger ist, als es für einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. deutschen Rechts verlangt wird. Das domicile ist dort, wo jemand zu Hause ist, sein "home" hat. Ein doppeltes domicile ist nicht denkbar. Das domicile wird zunächst durch Geburt begründet. Dieses domicile of origin ist regelmäßig das gemeinsame domicile der Eltern. Eine volljährige Person kann ein eigenes domicile begründen. Voraussetzung für die Begründung eines derartigen domicile of choice ist, dass sich die Person in einem bestimmten Rechtsgebiet tatsächlich aufhält und beabsichtigt, dort ein domicile zu begründen. Diese Absicht liegt z.B. dann vor, wenn die betroffene Person eine Wohnung an dem neuen Ort zur dauernden Wohnung machen will. Im Vergleich zum englischen Recht ist nicht der Wille erforderlich, endgültig dort zu bleiben. Es genügt die Absicht, für eine unbestimmte Zeit zu bleiben. Typische Indizien für einen Bleibewillen sind der Ankauf oder die Anmietung einer Wohnung, der Umzug der gesamten Familie, die Aufgabe der alten Wohnung und die Aufnahme gesellschaftlicher Aktivitäten am neuen Wohnort. Bei beruflicher Versetzung hingegen – Musterbeispiel waren die in Deutschland stationierten US-Soldaten und ihre Familien – fehlt es regelmäßig am Willenselement. Bei Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts am domicile bleibt das bisherige domicile bis zur Begründung eines neuen domicile weiterhin bestehen, während nach englischer Rechtsauffassung das domicile of origin wiederaufleben würde. Im Ergebnis wird das domicile der US-amerikanischen Staaten daher regelmäßig mit dem gewöhnlichen Aufenthalt i.S.v. Art. 21 EuErbVO übereinstimmen.