Rz. 221
Die Geltendmachung des Pflichtteilsrechts erfolgt durch Herabsetzungsklage. Die Klage ist gegen sämtliche testamentarisch Begünstigten – sofern die zu ihren Gunsten getroffenen Verfügungen der Herabsetzung unterliegen – zu richten. Ggf. ist anschließend durch Restitutionsklage die Herausgabe des Nachlasses, der Gegenstand der herabgesetzten Verfügungen war, an die Erbengemeinschaft zu bewirken. Umstritten ist, ob auch die einfache Erklärung des Pflichtteilsberechtigten geeignet ist, die pflichtteilsbeeinträchtigenden Verfügungen zu reduzieren. Dies gilt nach umstrittener, wenngleich wohl überwiegender Auffassung, in Italien auch für den Voraus des Ehegatten, obgleich dieser rechtstechnisch nicht als Noterbquote, sondern als ein gesetzliches Vermächtnis ausgestaltet ist und damit auch dinglich unmittelbar wirksam sein sollte. Die Frist für die Geltendmachung der Klage beträgt zehn Jahre, Art. 2946 C.C, und beginnt nach der Rechtsprechung des Kassationshofs nicht mit dem Erbfall, sondern erst mit der Annahme der Erbschaft durch die testamentarisch berufenen Personen zu laufen. Voraussetzung für die Geltendmachung der Klage ist gem. Art. 564 C.C., dass der Noterbe die Erbschaft unter dem Vorbehalt des Inventars angenommen hat.
Rz. 222
Ausgenommen von dem Noterbrecht sind Erbhöfe in den ehemals zu Österreich gehörenden Gebieten im Norden Italiens. Der Erbhof geht auf den vom Erblasser testamentarisch bezeichneten Hoferben über. Pflichtteilsberechtigte können insoweit keine Herabsetzung verlangen, sondern erhalten eine Entschädigung in Geld. Diese kann vom Erblasser ebenfalls testamentarisch festgesetzt werden. Sie muss nicht dem wahren Wert des Hofs entsprechen. Ggf. kann der Pflichtteilsberechtigte eine Festsetzung durch das Gericht beantragen.
Rz. 223
Ein Verzicht auf die Herabsetzungsklage – und damit auf das materielle Pflichtteilsrecht nach Eintritt des Erbfalls – ist formlos, ja sogar konkludent möglich. Schriftform ist allein dann einzuhalten, wenn die das Noterbrecht verletzende Verfügung Grundstücke betrifft. Die italienische Rechtsprechung wendet auch Art. 590 C.C., wonach die Unwirksamkeit einer testamentarischen Verfügung von dem nicht mehr geltend gemacht werden kann, der die Verfügung bestätigt oder erfüllt hat, auf die Erhebung der Herabsetzungsklage entsprechend an. Der pflichtteilsberechtigte Erbe kann ein von ihm erfülltes Vermächtnis also nicht mehr unter Hinweis darauf anfechten, es verletze seinen Pflichtteil. Voraussetzung für die Verzichtswirkung ist aber, dass der Pflichtteilsberechtigte den Grund für die Nichtigkeit/Herabsetzbarkeit der Verfügung kannte.
Rz. 224
Zur Wiederherstellung der Noterbrechte werden vorrangig die testamentarischen Verfügungen herabgesetzt. Diese werden verhältnismäßig zu gleichen Teilen gekürzt. Dies gilt für Erbeinsetzungen ebenso wie für Vermächtnisse. Ausgenommen sind Verfügungen, denen der Erblasser testamentarisch Vorrang vor den anderen erteilt hat, Art. 558 Abs. 2 C.C. Auf Letztere kann erst zurückgegriffen werden, wenn die Herabsetzung der anderen Verfügungen nicht zur Wiederherstellung der Pflichtteilsquoten ausreicht. Aufgrund der Bemessung der Pflichtteile an dem um die lebzeitigen Schenkungen erhöhten Nachlass kann die Herabsetzung dazu führen, dass sämtliche letztwilligen Verfügungen hinfällig werden und die Noterben den gesamten Nachlass an sich ziehen. Ist selbst nach vollständiger Kürzung der letztwilligen Verfügungen die Noterbquote nicht vollständig wiederhergestellt, etwa weil der Erblasser den größten Teil seines Vermögens bereits unter Lebenden verschenkt hat, werden die auch lebzeitigen Schenkungen gekürzt. Hier besteht eine zeitliche Rangfolge: Begonnen wird mit der zeitlich letzten, dann wird so weit in die Vergangenheit geschritten, bis der Nachlass entsprechend aufgefüllt ist, Art. 559 C.C. Eine zeitliche Grenze für Schenkungen gibt es nicht.
Rz. 225
Schließlich ist zu beachten, dass eine Herabsetzung nicht erfolgen kann, soweit der Beklagte selber pflichtteilsberechtigt ist. Dieser kann insoweit behalten, was er aus dem Testament als Erbteil oder Vermächtnis oder aber schon zu Lebzeiten des Erblassers durch Schenkung erhalten hatte. Wird sein Pflichtteil dadurch beeinträchtigt, dass er mit Auflagen oder Bedingungen belastet ist, so sind diese gem. Art. 549 C.C. automatisch unwirksam.
Rz. 226
Pflichtteilswidrige Verfügungen im Testament und pflichtteilswidrige Schenkungen bleiben also bis zum Erlass eines entsprechenden Urteils wirksam. Die Herabsetzungsklage ist nicht Klage auf Feststellung der Nichtigkeit, sondern Gestaltungsklage, denn erst das stattgebende Urteil führt die Nichtigkeit der pflichtteilswidrigen Verfügungen herbei. Der Noterbe wird auf diese Weise rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erbfalls Miterbe. Besitz am Nachlass erhält er durch eine entsprechende auf Herausgabe der Erbschaft gerichtete Restitutionsklage. Da die testamentarischen Erben als Nichtberechtigte verfügt haben, können ...