1. Europäische Erbrechtsverordnung
Rz. 191
Für ab dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle ist in Italien das Erbstatut nach den Vorschriften der EuErbVO zu bestimmen. Das Haager Testamentsformübereinkommen vom 5.10.1961 gilt für Italien nicht, so dass Art. 27 EuErbVO auch auf die Formwirksamkeit von einseitigen und gemeinschaftlichen Testamenten uneingeschränkt anzuwenden ist.
Die Erstellung von Europäischen Nachlasszertifikaten ist in Italien den Notaren übertragen worden.
Rz. 192
Das Haager Übereinkommen über das auf trusts anwendbare Recht und über ihre Anerkennung vom 1.7.1985 ist für Italien am 1.1.1992 in Kraft getreten. Dieses Abkommen gilt gemäß seinem Art. 2 auch für testamentarisch errichtete trusts. Dabei sind gem. Art. 11 des Übereinkommens trusts nach dem vom Errichter, bei einem testamentarischen trust also vom Erblasser, ausdrücklich gewählten Recht (Art. 6 des Übereinkommens) anzuerkennen. Auf diese Weise erhält der Erblasser über Art. 46 ital. IPRG hinausgehende Rechtswahlmöglichkeiten. Im deutsch-italienischen Rechtsverkehr könnte daher ein deutscher Erblasser seinen in Italien belegenen Nachlass auf diese Weise dem trust-Recht von Jersey unterstellen. Ein Italiener dagegen könnte für seinen in Deutschland belegenen Nachlass keinen trust anordnen, weil dieser in Deutschland nicht anerkannt würde (siehe § 17 Rdn 232 ff.). Gem. Art. 15 S. 1 lit. c des Übereinkommens bleibt das Erbrecht einschließlich Testamentsrecht, insbesondere Pflichtteil, durch das Abkommen unberührt. Insoweit ist das Abkommen daher in Bezug auf das internationale Pflichtteilsrecht ohne weitere Bedeutung.
2. Auf vor dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle anwendbares Recht
Rz. 193
Für die Erbfälle, die vor dem 17.8.2015 eingetreten sind, ist zu beachten, dass Art. 46 Abs. 1 des italienischen Gesetzes über die Reform des Internationalen Privatrechts (IPRG) vom 31.5.1995 das Erbstatut – wie die Vorgängernorm in Art. 23 disp. Prel. C.C. – an die Staatsangehörigkeit des Erblassers anknüpft. Dies gilt für den gesamten Nachlass. Der Erblasser kann durch ausdrückliche testamentarische Rechtswahl die Erbfolge dem Recht des Staates unterstellen, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine vor dem 17.8.2015 getroffene Rechtswahl bleibt dabei gem. Art. 83 Abs. 2 EuErbVO weiterhin wirksam.
Die Rechtswahl unterliegt jedoch zwei Einschränkungen: Zunächst ist sie nur wirksam, wenn der Erblasser auch bei seinem Tod in dem Staat, dessen Recht er gewählt hat, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zum anderen können italienische Staatsangehörige durch Rechtswahl nicht die sich aus ihrem italienischen Heimatrecht ergebenden Pflichtteilsrechte der Personen beeinträchtigen, die zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Italien haben. Die in Deutschland lebenden Angehörigen eines italienischen Erblassers könnten also dadurch, dass sie rechtzeitig vor dem Erbfall ihre Wohnung nach Italien verlegen, ihre Pflichtteile erhöhen, eventuell sogar die Wirkungen eines nach deutschem Recht erklärten Pflichtteilsverzichts beseitigen. Wie sich die Pflichtteilsrechte aus dem italienischen Recht und dem gewählten Recht konkret zueinander verhalten, ist in Italien wohl noch nicht geklärt.
Rz. 194
Rückverweisungen werden im italienischen Recht seit Inkrafttreten des IPRG befolgt, Art. 13 Abs. 1 IPRG. Bei Mehrstaatern wird gem. Art. 19 Abs. 2 S. 2 IPRG aus italienischer Sicht stets der italienischen Staatsangehörigkeit der Vorrang gegeben. Trotz Geltung des Heimatrechts in beiden Ländern kam es damit bei deutsch-italienischen Doppelstaatern zu einem internationalen Entscheidungsdissens.
Rz. 195
Der Kassationshof hat 1996 entschieden, dass die Vorschriften über die Noterbrechte nicht in den Schutzbereich des in Art. 16 IPRG kodifizierten internationalen ordre public fallen. Daher sei es – ohne Rücksicht auf die Intensität der Inlandsberührung aus italienischer Sicht – hinzunehmen, wenn das ausländische Erbrecht geringere oder gar keinerlei Pflichtteilsrechte vorsehe.