1. Europäische Erbrechtsverordnung
Rz. 258
Für ab dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle ist in den Niederlanden das Erbstatut nach den Vorschriften der EuErbVO zu bestimmen. Dabei ist für die Formwirksamkeit eines Testaments vorrangig das Haager Testamentsformübereinkommen vom 5.10.1961 zu beachten, welches für die Niederlande zum 19.12.1971 in Kraft getreten ist.
Die Aufgabe zur Erstellung von Europäischen Nachlasszertifikaten ist in den Niederlanden den Notaren übertragen worden.
2. Auf vor dem 1.10.1996 eingetretene Erbfälle anwendbares Recht
Rz. 259
Im niederländischen internationalen Erbrecht wurde das Erbstatut bis zum 31.9.1996 an die Staatsangehörigkeit des Erblassers angeknüpft. Die niederländischen Gerichte wandten jedoch auf die Erbfolge nach einem Ausländer ausnahmsweise das (niederländische) Wohnsitzrecht an, wenn der Erblasser zum (niederländischen) Wohnsitzstaat eine größere Nähe oder zum (ausländischen) Heimatstaat keinerlei echte Bindungen hatte und ihm entfremdet war.
3. Auf nach dem 31.9.1996 und vor dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle anwendbares Recht
Rz. 260
Mit Wirkung vom 1.10.1996 an wurden in den Niederlanden die Kollisionsnormen des bislang noch nicht in Kraft getretenen Haager Erbrechtsübereinkommens vom 1.8.1989 (HErbÜ) durch das Gesetz über das Kollisionsrecht der Erbfolge in Kraft gesetzt. Ab dem 1.1.2012 war das internationale Privatrecht in den Niederlanden im neuen Buch 10 des Burgerlijk Wetboek (B.W.) geregelt. Die Verweisungsnormen des Gesetzes über das Kollisionsrecht der Erbfolge wurden später in die Art. 10:145 ff. B.W. übernommen. Die Kollisionsnormen des Haager Erbrechtsabkommens, welches mangels weiterer Ratifikationen noch nicht in Kraft ist, gelten daher aufgrund dieser Verweisung in den Niederlanden als autonomes nationales Recht.
Rz. 261
Gem. Art. 3 HErbÜ unterliegt die Erbfolge in erster Linie dem Recht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn er zugleich die Staatsangehörigkeit dieses Staates hatte, Art. 3 Abs. 1 HErbÜ. War er nicht Angehöriger des Aufenthaltsstaates, gilt das Recht des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte dennoch, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort für die Dauer von mindestens fünf Jahren unmittelbar vor seinem Tode gehabt hatte, Art. 3 Abs. 2 HErbÜ. Ausgenommen ist der Fall, dass der Erblasser in außergewöhnlicher Weise offensichtlich mit seinem Heimatstaat enger verbunden war. Gemeint sind hiermit z.B. die Fälle, in denen der Erblasser lediglich aus (vorübergehenden) beruflichen Gründen im Aufenthaltsstaat gelebt hat oder sich als Rentner in den Süden zurückgezogen hat, ohne dass eine soziale und kulturelle Integration stattgefunden hat. Hier kommt es dann zur Geltung des Heimatrechts.
Rz. 262
Hat der gewöhnliche Aufenthalt noch keine fünf Jahre bestanden, bleibt es schließlich ebenfalls bei der Geltung des Heimatrechts, Art. 3 Abs. 3 HErbÜ. Auch dies gilt allerdings nicht, sofern "der Erblasser mit einem anderen Staat enger verbunden war". Eine derartige Ausnahme mag z.B. gegeben sein, wenn der Erblasser "Auswanderer" ist, also bereits mit seinem Heimatstaat gebrochen hatte. Dann ist das Recht des Einwanderungsstaates anzuwenden.
Rz. 263
Bei der Beerbung von Niederländern, die dauerhaft in Deutschland gelebt haben, kam es aufgrund der Bestimmungen des HErbÜ regelmäßig zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht, so dass gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB ausschließlich deutsches materielles Erbrecht anwendbar war.