1. Europäische Erbrechtsverordnung
Rz. 285
Für ab dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle ist in Österreich das Erbstatut nach den Vorschriften der EuErbVO zu bestimmen. Dabei ist für die Formwirksamkeit eines Testaments vorrangig das Haager Testamentsformübereinkommen vom 5.10.1961 zu beachten.
Die Erstellung von Europäischen Nachlasszertifikaten ist in Österreich den Notaren übertragen worden.
2. Auf vor dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle anwendbares Recht
Rz. 286
Für die Erbfälle, die vor dem 17.8.2015 eingetreten sind, unterstellt § 28 Abs. 1 des österreichischen Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht vom 15.6.1978 (IPRG) die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Personalstatut des Erblassers. Personalstatut ist gem. § 9 Abs. 1 IPRG das Heimatrecht einer Person. Rück- und Weiterverweisungen werden gem. § 5 IPRG beachtet, dürften aber im Verhältnis zu Deutschland nicht auftreten, da beide Staaten dem Staatsangehörigkeitsgrundsatz folgten. Da gem. Art. 9 Abs. 1 S. 2 IPRG die österreichische stets vor der ausländischen Staatsangehörigkeit berücksichtigt wird, kommt es jedoch in den Fällen der österreichisch-deutschen Doppelstaater, insbesondere bei Kindern aus "gemischtnationalen Ehen", in Deutschland und Österreich zur Anwendung verschiedenen Erbstatuts.
Für die Formwirksamkeit einseitiger und gemeinschaftlicher Verfügungen gilt das Haager Testamentsformübereinkommen. Erbverträge und Erbverzichtsvereinbarungen waren gem. § 8 IPRG formwirksam, wenn sie den Formerfordernissen entweder des Errichtungsstatuts oder des Errichtungsortes entsprechen.
Rz. 287
Vom Erbstatut ausgenommen waren gem. § 32 IPRG die Art und Weise (Modus) des Erwerbs dinglicher Rechte an Nachlassimmobilien. Konkret bedeutet dies das Erfordernis einer gerichtlichen Einantwortung nach österreichischem Erbrecht für in Österreich belegene Grundstücke und dort belegenes sonstiges Vermögen auch dann, wenn deutsches Recht Erbstatut ist. Diese Durchbrechung des Erbstatuts war aus deutscher Sicht gem. Art. 3a Abs. 2 EGBGB a.F. zu beachten.
3. Besonderheiten unter Geltung der EuErbVO
Rz. 288
Umstritten war unter der Geltung von Art. 3a Abs. 2 EGBGB a.F., ob das Anerbenrecht und die Kärntner und Tiroler Erbhofgesetze sich gegen ausländisches Erbstatut durchsetzen. Jedenfalls unter Art. 30 EuErbVO dürfte aber dieses Höferecht vor ausländischem Erbrecht vorrangig anzuwenden sein.
Rz. 289
Eine weitere Besonderheit ergibt sich, wenn zwei Personen gem. § 2 Abs. 10 östWEG eine in Österreich belegene Eigentumswohnung in Eigentümerpartnerschaft erworben haben. Dann wächst vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung nach § 14 Abs. 1 S. 1 östWEG der Anteil des Verstorbenen dem Überlebenden an. Der Überlebende muss dafür einen Ausgleich in Höhe des halben Verkehrswertes der Wohnung in die Verlassenschaft leisten. Die Ausgleichsverpflichtung mindert sich für einen pflichtteilsberechtigten Wohnungseigentumspartner, wenn die Wohnung seinem dringenden Wohnbedürfnis dient, auf den Teil, der den Pflichtteilsansprüchen der Miterben an dem ihm zugewachsenen Anteil entspricht (§ 14 Abs. 2 S. 2 östWEG). Der Erwerb der Wohnung erfolgt nicht auf erbrechtlichem Wege, sondern im Zuge einer dinglichen Anwachsung. Er ist daher sachenrechtlich zu qualifizieren und unterliegt daher dem österreichischen Belegenheitsrecht (Art. 43 Abs. 1 EGBGB). Nach in Österreich wohl überwiegender Meinung ergibt sich die vorrangige Geltung der Regeln des österreichischen Wohnungseigentumsrechts aus Art. 30 EuErbVO. Pflichtteilsberechtigung und Pflichtteilsquote dagegen sind weiterhin nach dem Erbstatut zu beurteilen, so dass hier u.U. das deutsche Pflichtteilsrecht in die Berechnung des sich aus dem österreichischen Sachenrecht ergebenden dinglichen Ausgleichsanspruchs hineinspielt.
Rz. 290
Für die Formwirksamkeit einseitiger und gemeinschaftlicher Verfügungen gilt das Haager Testamentsformübereinkommen.