1. Europäische Erbrechtsverordnung
Rz. 329
Für alle ab dem 17.8.2015 eingetretenen Erbfälle richtet sich in Polen das Erbstatut nach den Vorschriften der EuErbVO. Dabei ist für die Formwirksamkeit eines Testaments vorrangig das Haager Testamentsformübereinkommen vom 5.10.1961 zu beachten, welches für Polen am 2.11.1969 in Kraft getreten ist.
Rz. 330
Besonderheiten ergeben sich aus der polnischen speziellen Gesetzgebung zu den Erbhöfen in Art. 1058 ff. poln. ZGB, die ggf. gem. Art. 30 EuErbVO vorrangig zum Erbstatut zu beachten ist. Personen, die nicht schon kraft Gesetzes zur Erbfolge berufen wären, bedürfen für den Erwerb polnischer Grundstücke durch Vermächtnis unter bestimmten Voraussetzungen einer Genehmigung des Innenministeriums. Bei der Vererbung von Landwirtschaftsbetrieben wird ausländisches Erbrecht durch das Sonderrecht über die Hoferbfolge verdrängt. Erben, die aufgrund dieser Bestimmungen von der Erbfolge ausgeschlossen sind, erhalten einen Ausgleichsanspruch.
2. Auf vor dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle anwendbares Recht
Rz. 331
Für die Erbfälle, die vor dem 17.8.2015 eingetreten sind, ist in Polen zu differenzieren, da am 16.5.2011 in Polen ein neues Gesetz zum IPR in Kraft getreten ist. Gem. Art. 64 § 2 des polnischen Gesetzes über das Internationale Privatrecht 2011 (IPRG) gilt in Nachlasssachen (wie schon zuvor nach Art. 34 des Vorgängergesetzes aus dem Jahre 1964) das Heimatrecht des Erblassers. Eine Rechtswahl ist aber gem. Art. 65 § 1 IPRG möglich. So konnte der Erblasser bis zum 16.8.2015 die Erbfolge in einem Testament oder einer anderen Verfügung von Todes wegen seinem Heimatrecht, dem Recht seines Wohnsitzes oder seines gewöhnlichen Aufenthalts zum Zeitpunkt der Vornahme dieses Rechtsgeschäfts oder zum Zeitpunkt seines Todes unterwerfen. Diese weitgehenden Rechtswahlmöglichkeiten sind zwar durch die Erbrechtsverordnung (vgl. Art. 22 EuErbVO) wieder teilweise zurückgenommen worden. Eine vor dem 17.8.2015 auf Basis dieser Regelungen getroffene Rechtswahl eines polnischen Staatsangehörigen oder einer Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in Polen ist aber unter den Bedingungen des Art. 83 Abs. 3 EuErbVO ggf. auch weiterhin zu beachten.
Gem. Art. 2 § 1 IPRG 2011 wurde ein Doppelstaater mit auch polnischer Staatsangehörigkeit stets als Pole behandelt. Für deutsch-polnische Doppelstaater, z.B. Spätaussiedler, gilt mithin bei Eintritt des Erbfalls vor dem 17.8.2015 aus deutscher Sicht deutsches, aus polnischer Sicht polnisches Erb- und Pflichtteilsrecht.