1. Europäische Erbrechtsverordnung
Rz. 454
In Spanien ist für alle ab dem 17.8.2015 eingetretenen Erbfälle das anwendbare Recht nach den Regeln der EuErbVO zu bestimmen. Für die Formwirksamkeit einseitiger und gemeinschaftlicher Testamente gilt seit dem 10.6.1988 das Haager Testamentsformübereinkommen, so dass Art. 27 EuErbVO gem. Art. 75 Abs. 1 EuErbVO verdrängt wird.
Wenn aufgrund der Kollisionsnormen der EuErbVO spanisches Recht anzuwenden ist, so ist zu beachten, dass Spanien ein Staat mit interlokaler Rechtsspaltung i.S.v. Art. 36 EuErbVO ist. Da in Spanien in den Eingangsvorschriften des Codigo Civil national vereinheitlichte Vorschriften zur interlokalen Rechtskollision bestehen, ist ein Fall des Art. 36 Abs. 1 EuErbVO gegeben. Die Frage, welche spanische Foralrechtsordnung anzuwenden ist, ist daher unter entsprechender Anwendung der internationalen Kollisionsnormen in Art. 9.8 CC zu bestimmen. Diese wiederum bestimmen im interlokalen Verhältnis in Spanien das Erbstatut durch Anknüpfung an die vecindad civil des Erblassers (siehe Rdn 459).
2. Vor dem 17.8. 2015 eingetretene Erbfälle
Rz. 455
Gem. Art. 9.8 des spanischen Código Civil (CC) unterlag die Erbfolge dem Heimatrecht des Erblassers im Augenblick seines Todes, und zwar ausdrücklich "unabhängig davon, welches auch immer die Natur seiner Güter oder das Land ist, in dem sie sich befinden". Grund für diese deutliche Klarstellung ist, dass das spanische internationale Erbrecht ursprünglich der Nachlassspaltung folgte und der Erlass des (neuen) Código Civil von 1889 die Abwendung von der gegenständlichen Nachlassspaltung bekräftigen sollte. Die Rechtsprechung duldete selbst im Rahmen einer Rückverweisung keine Nachlassspaltung, sondern ließ eine gespaltene Rückverweisung in solchen Fällen unbeachtet. Bei mehrfacher Staatsangehörigkeit des Erblassers hatte die spanische Staatsangehörigkeit stets Vorrang, Art. 9.9 S. 2 CC. Ist der Mehrstaater nicht Spanier, gibt die Zugehörigkeit zu dem Staat den Ausschlag, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, Art. 9.9 S. 1 CC.
Rz. 456
Allerdings ergab sich hier eine wichtige Ausnahme: Die Rechte, die der überlebende Ehegatte kraft Gesetzes erhält, also seine gesetzliche Erbquote wie auch seine Pflichtteilsrechte, unterlagen nicht dem Erbstatut, sondern dem Recht, welches die Ehewirkungen regelt. Vorbehalten sind die Pflichtteile der Abkömmlinge (Art. 9.8 S. 3 CC). Zweck dieser Bestimmung ist es, Angleichungsprobleme zwischen dem Erb- und dem Güterstatut zu vermeiden. Der Umfang der Verweisung war zunächst umstritten. Nach einer Ansicht enthielt die Norm eine lediglich deklaratorische Verweisung und erfasst allenfalls einzelne erbrechtliche Sonderpositionen des Ehegatten. Nach einer Entscheidung des Tribunal Superior de Justicia Cataluña vom 4.12.1995 erfassen die "Rechte des Ehegatten" allerdings die gesamte erbrechtliche Begünstigung des überlebenden Ehegatten einschließlich der Erbquote etc. Dem stimmte die überwiegende Literatur in Spanien zu. Diese Auslegung wurde vom Tribunal Supremo bestätigt.
Rz. 457
Für die Formwirksamkeit einseitiger und gemeinschaftlicher Testamente gilt seit dem 10.6.1988 das Haager Testamentsformübereinkommen. Erb- und Erbverzichtsverträge sind entsprechend der allgemeinen Formvorschrift in Art. 11.1 CC formwirksam, wenn sie den Formerfordernissen des Erbstatuts (lex causae) oder des Errichtungsortes (lex loci actus) entsprechend errichtet worden sind.
Rz. 458
In einer Entscheidung vom 23.10.1992 hatte der Tribunal Supremo die Pflichtteile als Bestandteil des spanischen ordre public behandelt. Die Entscheidung wurde in der Literatur heftig kritisiert. Offenbar hat der Tribunal Supremo diesen Standpunkt in der Zwischenzeit stillschweigend wieder aufgegeben: In einer Entscheidung vom 21.5.1999 hatte er über die Pflichtteile des erstehelichen Kindes eines englischen Erblasser bzgl. eines von diesem zuletzt bewohnten spanischen Anwesens (castillo) zu entscheiden. Aufgrund der Anwendung englischen materiellen Erbrechts wurde die Pflichtteilsklage als unbegründet abgewiesen, ohne dass der Tribunal Supremo den spanischen orden público auch nur der Erwähnung für würdig hielt.