1. Erbfolge der Verwandten
Rz. 49
Erben erster Ordnung sind gem. Art. 735 c.c. die Abkömmlinge des Erblassers. Kinder erben zu gleichen Teilen. Art. 733, 735 c.c. stellen legitime und natürliche Kinder gleich. Ist ein direkter Abkömmling vorverstorben, treten dessen Abkömmlinge in seine Erbenposition ein, Art. 739 ff. c.c. Adoptierte Kinder sind ebenfalls erbberechtigt, Art. 368 c.c. Die einfache Adoption lässt aber das Erbrecht nach den leiblichen Verwandten erhalten, Art. 364 c.c.
Rz. 50
Erben zweiter Ordnung sind einerseits die Eltern jeweils zu einem Viertel und andererseits die Geschwister, Art. 738 c.c. Abkömmlinge von vorverstorbenen Geschwistern (also die Nichten und Neffen des Erblassers) treten in den Erbteil der vorverstorbenen Geschwister ein. Ist einer der Eltern vorverstorben, wächst das ihm zugedachte Viertel seinen Kindern (also den Geschwistern des Erblassers) zu, Art. 738 Abs. 2 c.c. Sind keine Geschwister oder deren Abkömmlinge vorhanden, erben die Eltern je zur Hälfte. Lebt von den Eltern nur noch einer oder keiner mehr, kommt es zur Teilung des Nachlasses in eine mütterliche und eine väterliche Hälfte, Art. 738–1 c.c. (fente).
Rz. 51
Die Großeltern und weitere Aszendenten gehören zur dritten Ordnung, wobei die Teilung des Nachlasses in zwei Hälften je für die mütterliche und die väterliche Linie streng durchgeführt wird (fente), Art. 739, 746 ff. c.c. Die vierte Ordnung bilden die Seitenverwandten bis zum sechsten Grad, Art. 755 c.c.
2. Rechte des überlebenden Ehegatten
Rz. 52
Der überlebende Ehegatte – und das gilt in gleicher Weise auch für den Partner einer seit dem Frühjahr 2013 in Frankreich möglichen gleichgeschlechtlichen Ehe – erhält neben Abkömmlingen des Erblassers einen Nießbrauch am gesamten Nachlass oder nach seiner Wahl ein Viertel der Erbschaft zu Eigentum, Art. 757 c.c. Unterlässt er die Wahl, gilt dies als Option für den Nießbrauch, Art. 758–3 f. c.c. Sind nicht sämtliche Kinder des Erblassers zugleich auch Abkömmlinge der überlebenden Ehegatten (Stiefkindsituation), ist umgekehrt die Option des Ehegatten auf den Nießbrauch ausgeschlossen. In diesem Fall erhält der Ehegatte kraft Gesetzes das Viertel zu vollem Eigentum. So können die Stiefkinder sofort ihr Erbe antreten.
Rz. 53
Eine weitere Einschränkung des Rechts auf den Nießbrauch ergibt sich aus dem Recht der Erben, die Umwandlung des Nießbrauchs in eine Leibrente zu verlangen (Umsetzungsrecht). Können sich der Ehegatte und die Erben über die Umsetzung nicht einigen, entscheidet das Gericht über Höhe und Sicherheiten für die Rente sowie ihre Anpassung an die Geldentwertung (Indexierung), Art. 760 c.c.
Rz. 54
Zum Erbrecht tritt das Recht des Ehegatten, seine Hauptwohnung samt Einrichtung für ein Jahr lang weiter zu nutzen, Art. 763 c.c. Außerdem erhält er nach Art. 764 c.c. hieran ein lebenslanges dingliches Wohn- und Nutzungsrecht, welches allerdings auf sein Erbrecht anzurechnen ist. Übersteigt der Wert dieses Wohn- und Nutzungsrechts den Wert seines Erbrechts, ist er nicht zur Erstattung des überschießenden Teils verpflichtet, Art. 765 c.c. Bei einer Mietwohnung beschränkt sich das Nutzungsrecht auf die Einrichtung, Art. 765–2 c.c. Durch Vereinbarung mit den Erben kann der Ehegatte das Wohnrecht auf Lebenszeit in eine Leibrente umsetzen oder kapitalisieren lassen.
Rz. 55
Sind die Eltern des Erblassers zur Erbfolge berufen, erhalten diese neben dem überlebenden Ehegatten jeweils ein Viertel. Der Ehegatte erhält die verbleibende Hälfte als Erbe, Art. 757–1 Abs. 1 c.c. Ist einer der Eltern vorverstorben, fällt dessen Viertel dem Ehegatten zu, Art. 757–1 Abs. 2 c.c. Sind beide Eltern vorverstorben, wird der Ehegatte gesetzlicher Alleinerbe, Art. 757–2 c.c. Die Geschwister und weitere Verwandte sind neben dem Ehegatten also nicht mehr zur gesetzlichen Erbfolge berufen. Vorbehalten ist ein Rückfallrecht für solche Vermögensgegenstände, die der Erblasser von seinen Eltern durch Erbfolge oder Schenkung erworben hatte. Diese Gegenstände fallen zur Hälfte in den jeweiligen Stamm zurück, Art. 758 c.c. Erbt der Ehegatte allein oder zu ¾, haben die weiteren Aszendenten bei Bedürftigkeit eine Unterhaltsforderung gegen den Nachlass, Art. 758 c.c.
Rz. 56
Praxishinweis
Der Ehegatte erbte bis 2006 nicht, wenn die Scheidung rechtshängig war oder aufgrund seines Verschuldens rechtskräftig die Trennung von Tisch und Bett erklärt worden war. Nach aktuellem Recht (Art. 732 c.c.) schließen Trennung und Rechtshängigkeit einer Scheidungsklage allein seine Rechte noch nicht aus. Es ist daher wichtig, den Ehegatten in einem solchen Fall testamentarisch zu enterben bzw. ggf. auf seinen Pflichtteil (falls keine Abkömmlinge vorhanden sind) zu beschränken.