1. Erbfolge nach Ordnungen
Rz. 264
Gesetzliche Erben erster Ordnung – neuen wie alten Rechts – sind die Abkömmlinge und der Ehegatte zu gleichen Teilen. Da der Ehegatte echter Erbe erster Ordnung ist, wird er bei Fehlen von Abkömmlingen gesetzlicher Alleinerbe und schließt die Verwandten als gesetzliche Erben weiterer Ordnungen von der gesetzlichen Erbfolge komplett aus. Das gilt auch für den gleichgeschlechtlichen Ehegatten (Art. 1:30 B.V.). Dem Ehegatten im Erbrecht in jeder Hinsicht gleichgestellt ist der registrierte Lebenspartner aus einer eingetragenen Lebenspartnerschaft von zwei Personen gleichen oder verschiedenen Geschlechts, Art. 4:8 B.W. Wird die gerichtliche Trennung von Tisch und Bett ausgesprochen, verliert der überlebende Ehegatte sein gesetzliches Erbrecht. Erben zweiter Ordnung sind die Eltern bzw. die Geschwister des Erblassers bzw. deren Abkömmlinge. Halbbürtige Geschwister erhalten grundsätzlich die Hälfte des Anteils eines vollbürtigen.
Rz. 265
In dritter Ordnung erben die Großeltern und deren Abkömmlinge, in vierter Ordnung die Urgroßeltern und deren Abkömmlinge. Es gelten bei Erbfolge in allen Ordnungen die Grundsätze der Erbfolge nach Stämmen. Über die vierte Ordnung und Verwandte des sechsten Grades hinaus findet keine gesetzliche Erbfolge statt.
2. Das "besondere gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten"
Rz. 266
Der überlebende Ehegatte erhält bei gesetzlicher Erbfolge vorab das, was ihm – bei Geltung niederländischen Güterstatuts – aus der Auseinandersetzung des gesetzlichen Güterstands der allgemeinen Gütergemeinschaft zusteht. Hinzu kommt sein gesetzlicher Erbteil. Darüber hinaus steht ihm bei der gesetzlichen Erbfolge neben den Abkömmlingen ein "besonderes gesetzliches Erbrecht" zu. Um ihm zu ermöglichen, sein Leben im selben Rahmen wie bisher weiterzuführen, hat der Gesetzgeber das bisher in der notariellen Kautelarpraxis herausgebildete Modell der "elterlichen Nachlassteilung" in der gesetzlichen Erbfolge umgesetzt. Danach fällt dem Ehegatten der gesamte Nachlass zu, und zwar auch insoweit, wie die Abkömmlinge zur Erbfolge berufen sind. Die Kinder erhalten dafür Geldforderungen gegen den Ehegatten, die dem Wert ihres jeweiligen Erbteils entsprechen. Diese Geldforderungen entstehen unmittelbar mit dem Erbfall, werden jedoch erst mit dem Tod des Ehegatten des Erblassers bzw. bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen fällig. Die Forderung ist mit mindestens 6 % p.a. zu verzinsen. Der Ehegatte kann sie aber schon vor der Fälligkeit begleichen. Auf diese Weise erhält der überlebende Ehegatte also die Position eines Alleinerben bzw. eines alleinigen Vorerben.
3. Gestaltungsrechte der Kinder bei "besonderem gesetzlichen Erbrecht des Ehegatten"
Rz. 267
Obgleich die Kinder neben dem überlebenden Ehegatten des Erblassers lediglich einen Geldanspruch erhalten (siehe Rdn 266), wird der Anfall des Nachlasses dennoch nur dann vollständig aufgeschoben, weil die Kinder irgendwann auch den überlebenden Ehegatten beerben werden. Um den Erwerb "alter Erbstücke der Familie" durch die Kinder abzusichern, wird ihnen in den folgenden Konstellationen, in denen dieser Schlusserwerb gefährdet ist, eine Klage auf Übertragung von einzelnen Nachlassgegenständen unter Anrechnung auf ihren Geldanspruch ermöglicht. Das Gericht gibt der Klage nach billigem Ermessen statt (Art. 4:19–22 B.W.):
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Der überlebende Ehegatte ist leiblicher Elternteil auch der Abkömmlinge, will sich jedoch neu verheiraten und damit die zum Nachlass gehörenden Gegenstände in die neue Gütergemeinschaft einbringen: Die Kinder können hier die Übertragung des Eigentums an den bestimmten Gegenständen verlangen. Allerdings behält der überlebende Ehegatte hieran dann einen Nießbrauch (Art. 4:19 B.W.). |
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Der überlebende wiederverheiratete Ehegatte stirbt, ohne dass die Kinder das o.g. Recht bei dessen Wiederverheiratung geltend gemacht haben: Hier können die Kinder die Sachen von dem Ehegatten des wiederverheirateten Ehegatten herausverlangen, wenn dieser aufgrund des "besonderen Erbrechts des Ehegatten" quasi gesetzlicher Alleinerbe geworden ist. Tritt das "besondere Erbrecht des Ehegatten" nicht ein, können sie ihr Recht auf Übertragung der Gegenstände gegen den/die testamentarischen bzw. gesetzlichen Erben des wiederverheirateten Ehegatten des Erblassers geltend machen. In diesen Fällen kann kein Nießbrauch vorbehalten werden, da der überlebende Ehegatte nicht Ehegatte des Erblassers war (Art. 4:20 B.W.). |
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Der überlebende Ehegatte ist nicht Elternteil der Kinder (Stiefkindsituation). Hier haben die Kinder kaum eine Chance, den überlebenden Ehegatten zu ... |