Rz. 359
Das Erbrecht ist in Rumänien im Zivilgesetzbuch (Codul Civil Nou – CCN) geregelt, das am 1.10.2011 in Kraft getreten ist. Das rumänische Recht unterscheidet wie das französische Recht zwischen dem pflichtteilsgebundenen Teil des Nachlasses und dem Teil, über den der Erbe frei verfügen kann, Art. 1086 CCN. Der verfügbare Teil des Nachlasses wird dabei – entsprechend der Tradition des französischen Rechts – negativ dadurch definiert, dass es sich hierbei um den Teil des Nachlasses handelt, der nach dem Gesetz bestimmten Angehörigen vorbehalten ist und über den der Erblasser mithin unbeschränkt durch freigebige Zuwendung unter Lebenden oder von Todes wegen verfügen kann, Art. 1089 CCN. Anders als im aktuellen französischen Recht kann der Pflichtteilsberechtigte aber nicht die Auszahlung seines Pflichtteils verlangen. Er muss das Testament bzw. die lebzeitigen Verfügungen des Erblassers, soweit sie seinen Pflichtteil beeinträchtigen, anfechten und wird an dem (ergänzten) Nachlass als Miterbe beteiligt.
Rz. 360
Pflichtteilsberechtigt sind gem. Art. 1087 CCN der überlebende Ehegatte, die Abkömmlinge und – soweit sie zur gesetzlichen Erbfolge berufen wären – beide Elternteile. Das Pflichtteilsrecht des überlebenden Ehegatten erlischt erst mit Scheidung der Ehe – es sei denn, der Erblasser hat die Scheidung beantragt und diese war ausschließlich durch den überlebenden Ehegatten verschuldet. Nichteheliche Lebensgefährten haben kein Erbrecht.
Rz. 361
Nach dem bis 2011 geltenden alten Recht galten für die Angehörigen unterschiedliche Pflichtteilsquoten. Der CCN hat das System vereinfacht und die Pflichtteilsquoten erheblich reduziert. Nunmehr beträgt der Pflichtteil jeweils die Hälfte der gesetzlichen Erbquote, Art. 1088 CCN.
Rz. 362
Art. 1091 CCN enthält ein Schema zur Berechnung des Pflichtteils: Zunächst sind zur Berechnung des Brutto-Nachlasswertes die Werte sämtlicher zum Nachlass gehörenden Gegenstände und Rechte zum Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls zu bewerten. Sodann werden zur Berechnung des Netto-Nachlasswertes die Passiva vom Brutto-Nachlasswert abgezogen (aber nicht über den Wert des tatsächlich hinterlassenen Nachlasses hinaus). Schließlich werden zur Bildung der der Pflichtteilsberechnung zugrunde zu legenden fiktiven Nachlassmasse dem Netto-Nachlasswert (von mindestens Null) sämtliche vom Erblasser ausgeführten lebzeitigen Schenkungen hinzugerechnet. Im Gegenzug muss sich der Pflichtteilsberechtigte sämtliche unentgeltlichen Zuwendungen durch den Erblasser auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen, und zwar auch dann, wenn der Erblasser dies nicht ausdrücklich angeordnet hatte, Art. 1099 Abs. 2 CCN.
Rz. 363
Der Herabsetzung unterliegen zunächst die testamentarischen Zuwendungen, und zwar vorbehaltlich einer abweichenden Anordnung des Erblassers gleichrangig und zu gleichen Teilen. Genügt die vollständige Aufhebung der testamentarischen Anordnungen nicht, um den Pflichtteil wiederherzustellen, so werden die vom Erblasser vorgenommenen Schenkungen in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge, aber ohne eine zeitliche Beschränkung, aufgehoben, Art. 1096 Abs. 3 CCN.
Rz. 364
Hat der Erblasser durch die testamentarische Verfügung oder gar schon durch unentgeltliche Verfügung unter Lebenden die freiverfügbare Quote überschritten, so kann der pflichtteilsberechtigte Erbe eine Herabsetzung der Verfügungen verlangen, Art. 1092 CCN. Diese erfolgt nun vorrangig durch Vereinbarung der Beteiligten, Art. 1094 Abs. 1 CCN. Sie führt dazu, dass das Vermächtnis oder die Schenkung mit der Quote unwirksam wird, die erforderlich ist, um dem Berechtigten seinen Pflichtteil wieder zu gewähren, Art. 1097 CCN. Die früher als Regel vorgesehene Korrektur der Erbverteilung durch Urteil (Herabsetzungsklage) ist jetzt nur noch subsidiär vorgesehen, Art. 1094 Abs. 2 CCN. Für die Klageerhebung gilt eine Verjährungsfrist von drei Jahren ab Eintritt des Erbfalls, Art. 1095 CCN. Dabei ist der Empfänger der Schenkung nur verpflichtet, den geschenkten Gegenstand in dem Zustand zurückzugeben, in dem er sich befindet. Ist der Gegenstand (ohne Verschulden des Beschenkten) untergegangen, so ist er nicht zur Rückgabe verpflichtet.
Rz. 365
Ein Pflichtteilsverzicht wie auch ein Erbverzicht hinsichtlich einer noch nicht eröffneten Erbschaft ist gem. Art. 956 CCN ipso iure nichtig. Ist die Erbschaft eröffnet, so greifen die Regeln über die Ausschlagung der Erbschaft.