Rz. 176
Der Pflichtteil (legal right) für den überlebenden Ehegatten bzw. den Partner aus einer gleichgeschlechtlichen civil partnership (relict bzw. ius relictae) beläuft sich auf ein Drittel des beweglichen Vermögens neben Abkömmlingen des Erblassers und auf die Hälfte, wenn der Erblasser keine Abkömmlinge hinterließ. Die Kinder, ggf. die Enkel des Erblassers, erhalten neben einem Ehegatten zusammen ein Drittel. Wenn der Erblasser keinen Ehegatten hinterließ, erhalten sie die Hälfte (legitim). Das Recht des nichtehelichen Lebensgefährten auf gerichtliche Zuweisung von Nachlasswerten (siehe Rdn 175) besteht nur bei gesetzlicher, nicht aber bei testamentarischer Erbfolge. Es hat daher keine Pflichtteilsqualität.
Rz. 177
Praxishinweis
Praktische Folge ist bei kleineren Nachlässen, dass dem testamentarisch zum Alleinerben eingesetzten Ehegatten nach Geltendmachung der legitim durch Abkömmlinge weniger verbleibt als bei gesetzlicher Erbfolge, bei der er vorrangig vor den Abkömmlingen aus dem beweglichen Nachlass bis zu 552.000 £ als "Voraus" erhalten könnte. Der Ehegatte kann sich diesen Betrag dann aber durch Ausschlagung der testamentarischen Erbfolge und Herbeiführung der gesetzlichen Erbfolge sichern.
Rz. 178
Das legal right bezieht sich allein auf das bewegliche Vermögen (moveable property). Die Beschränkung des legal right auf den beweglichen Nachlass macht die Definition des unbeweglichen Vermögens (heritable property) bedeutend. Die Definition stimmt mit der Definition des immovable property im schottischen IPR nicht unbedingt überein. So gilt die Hypothek (mortgage) bei dem Gläubiger als unbewegliches Vermögen und mindert beim Eigentümer den Wert der Immobilie; beim Käufer einer Immobilie gilt der Anspruch auf die Immobilie als unbeweglich, die Kaufpreisverbindlichkeit mindert das bewegliche Vermögen; beim Käufer zählt der Kaufpreisanspruch zum beweglichen Vermögen.
Rz. 179
Praxishinweis
Aus der Beschränkung des legal right auf den beweglichen Nachlass folgt, dass ein Schotte legal rights umgehen kann, indem er sein Vermögen in schottische Immobilien umschichtet. Ein Deutscher konnte dies früher ebenfalls, da für diese aus schottischer Sicht und gem. Art. 3a Abs. 2 EGBGB a.F. auch aus deutscher Sicht schottisches Recht Erbstatut war. Nachdem die EuErbVO das "vorrangige Einzelstatut" aber nicht mehr anerkennt, ist diese Möglichkeit der Pflichtteilsminderung nun entfallen.
2009 hat die Schottische Law Commission vorgeschlagen, dass im Rahmen einer Reform des Erbrechts auch das Pflichtteilsrecht geändert wird. Dieses soll sich auf den gesamten Nachlass beziehen. Der Pflichtteil sollte sich danach für den Ehegatten und die Kinder auf 25 % des gesetzlichen Erbteils belaufen. Alternativ wurde über eine Abschaffung des Kindespflichtteils und die Gewährung von Unterhalt für wirtschaftlich abhängige Kinder nachgedacht.
Rz. 180
Das prior right des überlebenden Ehegatten geht dem legal right vor. Letzteres wird also aus dem nach Befriedigung des prior right verbleibenden Nachlass berechnet. Ausgenommen ist naturgemäß der Anspruch auf das Familienheim, da er das unbewegliche Vermögen betrifft. Dies soll auch für den an dessen Stelle tretenden Geldanspruch gelten. Der Geldbetrag ist nicht allein vom beweglichen Nachlass abzuziehen, sondern auf beweglichen und unbeweglichen Nachlass im Wertverhältnis der beiden Massen zueinander aufzuteilen.
Rz. 181
Zur Berechnung sind vom Brutto-Nachlass weiterhin Nachlasssteuer, bewegliche Nachlassverbindlichkeiten, Beerdigungskosten und Abwicklungskosten abzuziehen. Es gilt der Nachlasswert beim Todesfall, höchstens aber der realisierte Wert, wenn die Veräußerung bald nach dem Erbfall erfolgt. Der Anspruch ist seit dem Tod des Erblassers angemessen zu verzinsen.
Rz. 182
Lebzeitige Schenkungen sind nur unter den Abkömmlingen auszugleichen (collation). Schenkungen an Personen, die kein legal right geltend machen, werden in die Kollation nicht einbezogen. Gleiches gilt für Zuwendungen von unbeweglichem Vermögen, da deren Zurechnung zum Nachlass das legal right nicht erhöhen würde. Die Kollation mindert nur den Anspruch des Beschenkten auf legal right, verpflichtet ihn aber nicht zur Rückzahlung. Auch die Einbringung des Vermögens zu Lebzeiten in einen trust ist pflichtteilsfest. Eine Pflichtteilsergänzung oder Vergleichbares zur Sicherung des legal right gegen die Aushöhlung durch lebzeitige Verfügungen gibt es also nicht.
Rz. 183
Im Gegensatz zum englischen Recht erfordert das legal right keine Klage, sondern entsteht bereits mit dem Erbfall. Das legal right gewährt einen auf Geldzahlung gerichteten Anspruch. Mit Zustimmung der Betroffenen kann es durch Hingabe von Nachlassgegenständen erfüllt werden. Der Anspruch verjährt in 20 Jahren.
Rz. 184
Ein Verzicht des Ehegatten auf das legal right zu Lebzeiten des Erblassers ist möglich (discharge). Folge des Verzichts ist, dass der Nachlass so verteilt wird, als sei der Verzichtende vorverstorben. Der Verzicht erhöht dah...