Rz. 103
Pflichtteilsberechtigt sind gem. Art. 1825 ZGB die Abkömmlinge, die Eltern und der Ehegatte des Erblassers. Auch der eingetragene Lebenspartner hat unter den oben (vgl. Rdn 100) genannten Voraussetzungen ein Pflichtteilsrecht. Gem. Art. 1829 ZGB gelten Beschränkungen des Pflichtteils durch Testament als nicht geschrieben. Hieraus folgt, dass pflichtteilswidrige Verfügungen ipso iure unwirksam sind, soweit sie das Pflichtteilsrecht beeinträchtigen und der Erblasser nicht auf andere Weise die Zuwendung eines dem Pflichtteil entsprechenden Nachlassteils angeordnet hat. Die Pflichtteilsberechtigten können ihren Pflichtteil unmittelbar in Form einer Miterbenstellung in Höhe der ihnen zustehenden Pflichtteilsquote in Anspruch nehmen, ohne zuvor die ihren Pflichtteil beeinträchtigenden letztwilligen Verfügungen gerichtlich oder in sonstiger Weise anfechten zu müssen. Gegen testamentarische Erben und sonstige Erbschaftsbesitzer können sie 20 Jahre lang mit der Erbschaftsklage vorgehen. Der Erblasser kann den Pflichtteilsanspruch gem. Art. 1833 ZGB auch durch Hinterlassung eines Vermächtnisses oder durch anrechenbare Schenkung unter Lebenden bzw. von Todes wegen befriedigen.
Rz. 104
Das griechische Pflichtteilsrecht findet keine Anwendung nach einem griechischen Erblasser, der zumindest 25 Jahre vor seinem Tod ununterbrochen im Ausland gelebt hat, soweit sich die testamentarischen Verfügungen auf im Ausland belegenes Vermögen beziehen. Diese Regelung soll offenbar auch nach Inkrafttreten der EuErbVO in Griechenland weiterhin gelten. Ein entsprechend lange Zeit in Deutschland lebender Grieche könnte so durch Wahl seines Heimatrechts gem. Art. 22 EuErbVO das deutsche Pflichtteilsrecht umgehen und seine Hinterbliebenen vollständig pflichtteilslos stellen. Problematisch ist hier dann allenfalls, ob die deutschen Gerichte dem griechischen Recht nicht den deutschen ordre public entgegensetzen. Ausführlicher zu diesem Problem siehe § 17 Rdn 246.
Rz. 105
Die Höhe des Pflichtteils beläuft sich im griechischen Recht auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (Art. 1825 Abs. 1 S. 2 ZGB). Der Pflichtteilsberechtigte muss sich auf seinen Pflichtteil alles anrechnen lassen, was er durch Erbeinsetzung, Vermächtnis, Schenkung von Todes wegen oder durch freigebige Zuwendung unter Lebenden erhalten hat. Dabei werden zur Berechnung die Anteile der Enterbten, der Unwürdigen und der Erben mitgezählt, die die Erbschaft ausgeschlagen haben, so dass die Pflichtteilsentziehung etc. die verfügbare Quote und nicht den Pflichtteil der anderen erhöht.
Rz. 106
Da der Voraus des Ehegatten sich nur bei gesetzlicher Erbfolge ergibt, kann er testamentarisch entzogen werden. Ansprüche auf Zugewinnausgleich sind als Nachlassverbindlichkeit vor dem Erbrecht der Verwandten zu befriedigen. Der Unterhaltsanspruch eines – auch des geschiedenen – Ehegatten bleibt nach dem Tod des Ehegatten bestehen, Art. 1444 Abs. 2 S. 2, 1457 ZGB.
Rz. 107
Eine Pflichtteilsentziehung ist möglich, wenn der Berechtigte dem Erblasser nach dem Leben getrachtet hat, ihn körperlich misshandelt, seine Unterhaltspflichten ihm gegenüber verletzt oder ein Verbrechen gegen ihn begangen hat. Der Ehegatte kann enterbt werden, wenn er sich einer Verfehlung schuldig gemacht hat, aufgrund derer der Erblasser auf Scheidung klagen konnte (Art. 1842 ZGB) oder aber der Erblasser Scheidungsklage erhoben hat und die Voraussetzungen für die Scheidung erfüllt waren (Art. 1822 ZGB). Der Grund für die Entziehung muss im Testament genannt werden. Einem verschwenderischen oder überschuldeten Abkömmling kann der Pflichtteil "in guter Absicht" entzogen werden, indem er seinen Abkömmlingen zugewandt und/oder eine Testamentsvollstreckung angeordnet wird, und für den Unterhalt des Pflichtteilsberechtigten Sorge getragen wird.
Rz. 108
Lebzeitige Schenkungen sind gem. Art. 1831 Abs. 1 ZGB dem Nachlass zur Berechnung der Pflichtteilsrechte zuzurechnen, sofern sie innerhalb von zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers gemacht worden sind und nicht einer besonderen sittlichen Verpflichtung oder einer Rücksichtnahme auf den Anstand entsprachen. Die Geltendmachung darauf gestützter Pflichtteilsergänzungsansprüche erfolgt durch (Gestaltungs-)Klage, die innerhalb von zwei Jahren nach dem Tode des Erblassers gegen den Beschenkten oder dessen Erben zu erheben ist, sofern der Nachlass zur Befriedigung der Pflichtteile nicht ausreicht. Der Pflichtteilsberechtigte muss sich eine Mitgift und lebzeitige Zuwendungen, wenn der Erblasser die Anrechnung auf den Pflichtteil angeordnet hatte, anrechnen lassen, Art. 1833 ZGB.
Rz. 109
Mit dem Erbvertrag ist gem. Art. 386 ZGB auch ein vertraglicher Erbverzicht unzulässig. Von diesem Verbot macht die Gesetzesverordnung 472/1974 für den Erbverzicht eines ausländischen Ehegatten nach einem griechischen Staatsangehörigen eine Ausnahme, wenn beide Eheleute zur Zeit des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz im Ausland haben (lex Onass...