1. Pflichtteilsberechtigung
Rz. 335
Der Pflichtteil gewährt Anspruch auf einen Geldbetrag in Höhe des dem Pflichtteil entsprechenden Anteils am Nachlass. Pflichtteilsberechtigt sind gem. Art. 991 ZGB die Abkömmlinge, der Ehegatte und die Eltern des Erblassers, soweit sie zur gesetzlichen Erbfolge berufen wären. Die Großeltern haben kein Pflichtteilsrecht. Jedoch haftet der testamentarische Erbe subsidiär zu den Verwandten auf Unterhalt, auch wenn er selber den Großeltern nicht unterhaltspflichtig ist. Von dieser Unterhaltspflicht kann er sich durch Auszahlung eines Viertels seines Erbteils befreien, Art. 966 ZGB.
Da das polnische Recht eine eingetragene Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Partner ebenso wenig kennt wie die homosexuelle Ehe, haben homosexuelle Ehegatten und eingetragene Lebenspartner kein gesetzliches Erb- oder Pflichtteilsrecht. Wegen der fundamentalen Ablehnung ist darüber hinaus damit zu rechnen, dass ein entsprechendes im Ausland begründetes Rechtsverhältnis aus polnischer Sicht selbst bei Geltung ausländischen Erbstatuts ebenfalls unbeachtlich bleibt.
Rz. 336
Die Pflichtteilsquote beläuft sich auf die Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Sie erhöht sich, soweit der Berechtigte dauernd arbeitsunfähiger bzw. minderjähriger Abkömmling ist, auf zwei Drittel des gesetzlichen Erbteils. Vermächtnisse, testamentarische Zuwendungen und lebzeitige Schenkungen des Erblassers an den Berechtigten sind unmittelbar auf den Pflichtteil anzurechnen, Art. 991 § 2, Art. 996 ZGB.
Rz. 337
Eine Pflichtteilsentziehung (Enterbung) ist gem. Art. 1008 ZGB u.a. möglich, wenn sich der Betreffende beharrlich sittenwidrig verhält oder dem Erblasser gegenüber beharrlich seine familienrechtlichen Pflichten verletzt. Der Grund für die Enterbung ist im Testament zu nennen.
2. Pflichtteilsergänzung
Rz. 338
Lebzeitige Schenkungen des Erblassers werden dem Nachlass zur Berechnung des Pflichtteils zugerechnet. Ausgenommen von der Pflichtteilsergänzung sind gem. Art. 994 ZGB folgende Zuwendungen:
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kleinere Geschenke, die zu den jeweiligen Gelegenheiten üblich sind; |
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Schenkungen, die mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall gemacht wurden; |
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Schenkungen an nicht erb- bzw. pflichtteilsberechtigte Personen; |
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Schenkungen zu einer Zeit, als der pflichtteilsberechtigte Abkömmling noch nicht gezeugt bzw. der Ehegatte noch nicht mit dem Erblasser verheiratet war. |
Rz. 339
Bei der Bewertung entscheidet der Zustand der Sache im Zeitpunkt der Schenkung, aber der Wert zum Zeitpunkt der Feststellung des Pflichtteils, Art. 995 ZGB. Soweit der Erbe, weil der Nachlass erschöpft oder er selbst pflichtteilsberechtigt ist, nicht mehr für die Pflichtteilsergänzung haftet, kann der Pflichtteilsberechtigte unmittelbar den Beschenkten in Anspruch nehmen. Dieser haftet nach Bereicherungsgrundsätzen und kann sich von seiner Haftung jederzeit durch Herausgabe des geschenkten Gegenstands befreien, Art. 1000 ZGB.
3. Durchsetzung der Pflichtteilsrechte
Rz. 340
Die Pflichtteilsansprüche verjähren innerhalb von fünf Jahren nach Eröffnung des Testaments. Pflichtteilsergänzungsansprüche verjähren in drei Jahren nach dem Erbfall, Art. 1007 ZGB.
Rz. 341
Auf den Pflichtteil haftet vorrangig der Erbe. Dieser kann u.U. auch die Damnationslegate pro rata kürzen. Der Empfänger eines Vindikationslegats ist dagegen privilegiert. Er haftet auf den Pflichtteil erst dann, wenn bzw. soweit vom Erben der Pflichtteil nicht erlangt werden kann, Art. 999 ZGB, und zwar betragsmäßig beschränkt auf den Wert des zugewandten Gegenstands.
4. Erb- und Pflichtteilsverzicht
Rz. 342
Ein Erbverzicht erfolgt nach Art. 1048 ZGB durch Abschluss eines Vertrages des Verzichtenden mit dem Erblasser. Der Vertrag wie auch seine Aufhebung sind notariell zu beurkunden. Der Verzichtende bleibt gem. Art. 992 ZGB bei der Berechnung der Pflichtteile außer Betracht, so dass der Verzicht die Pflichtteile der anderen erhöht. Der Verzicht kann auf das Pflichtteilsrecht beschränkt werden. Vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung wirkt der Verzicht auch für die Abkömmlinge des Verzichtenden.