1. Pflichtteilsquoten
Rz. 375
Ein Pflichtteil (laglott) steht nur Leibeserben zu, Kap. 7 § 1 ErbG. Leibeserben sind gem. Kap. 2 § 1 ErbG die Abkömmlinge des Erblassers. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des Erbteils, der einem Leibeserben bei gesetzlicher Erbfolge zustünde. Da allerdings der Ehegatte gegenüber gemeinschaftlichen Abkömmlingen der Eheleute bei gesetzlicher Erbfolge quasi alleiniger Vorerbe ist (siehe Rdn 372), haben ehegemeinschaftliche Abkömmlinge diesem gegenüber keine Pflichtteilsrechte. Pflichtteilsrechte gegenüber dem überlebenden Ehegatten stehen dagegen Kindern aus vorangegangener Ehe etc. zu.
Rz. 376
Die Abkömmlinge müssen sich auf ihren Pflichtteil anrechnen lassen, was sie vom Erblasser durch Schenkung, als Vorempfang oder aufgrund Testaments erhalten haben, falls im Testament nichts anderes angeordnet wurde, Kap. 7 § 2 ErbG. Vorempfang in diesem Sinne ist alles, was der Erblasser einem Abkömmling zu Lebzeiten gegeben hat, soweit nicht anderes vereinbart wurde, Kap. 6 § 1 ErbG.
Rz. 377
Der Ehegatte und der registrierte Lebenspartner haben keinen echten Pflichtteil. Sie – nicht aber der nichteheliche faktische Lebenspartner (sambo) – erhalten gem. Kap. 3 § 1 Abs. 2 ErbG aus dem Nachlass aber zumindest so viel, dass dieses zusammen mit ihrem ehelichen Vorbehaltsgut und dem Anteil an der ehelichen Güterauseinandersetzung den vierfachen jährlichen Grundbetrag, wie dieser im Sozialrecht festgelegt wird, ausmacht. Dieser Grundbetrag (prisbasbelopp) wird jährlich auf Basis der allgemeinen Preisentwicklung neu festgelegt und beträgt für 2023 57.300 SEK. Verfügt der überlebende Ehegatte also nach der Güterauseinandersetzung schon über so viel Vermögen, dass er sich für die nächste Zeit selber versorgen kann, hat er keine Ansprüche. Dieser Anspruch kann auch durch Testament nicht entzogen werden.
Rz. 378
Praxishinweis
Folglich ist der Erblasser bei Verfügungen zugunsten enger Familienangehöriger sehr frei: Verfügt er zugunsten des Ehegatten, entstehen Pflichtteile gemeinschaftlicher Kinder erst mit dem Tod des Ehegatten; verfügt er zugunsten von Kindern, können nur andere Kinder, nicht aber der Ehegatte Pflichtteile geltend machen.
2. Durchsetzung des Pflichtteils
Rz. 379
Pflichtteilsverletzende testamentarische Verfügungen sind zwar unwirksam. Der Pflichtteil wird aber dennoch erst realisiert, indem der Leibeserbe rechtzeitig vom testamentarischen Erben direkt oder durch Klageerhebung die Abänderung des Testaments verlangt, Kap. 7 § 3 ErbG. Hierdurch wird seine gesetzliche Erbenstellung in Höhe der Pflichtteilsquote wiederhergestellt, er ist also Noterbe. Aus diesem Grunde ist das Testament den gesetzlichen Erben gem. Kap. 14 ErbG zuzustellen. Der Leibeserbe hat innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung den Anspruch auf Abänderung gegenüber den testamentarischen Erben oder durch Klageerhebung geltend zu machen, Kap. 7 § 3 Abs. 3 ErbG. Danach ist der Anspruch verjährt.
Rz. 380
Die Herabsetzung erfolgt in der Weise, dass zunächst die Erbeinsetzungen, dann die allgemeinen Vermächtnisse und schließlich die Vermächtnisse bestimmter Gegenstände reduziert werden. Die Herabsetzung erfolgt jeweils verhältnismäßig. Bei Zuwendungen an Leibeserben betrifft sie jedoch nur die nicht auf ihren Pflichtteil anrechenbaren Teile. Ist die angefochtene Verfügung zugunsten des Ehegatten getroffen worden, muss ein gemeinsamer Abkömmling insoweit dennoch die gesetzliche Vorerbschaft dulden (siehe Rdn 372), kann seine Rechte also erst nach Versterben des überlebenden Elternteils geltend machen. Bei Verfügungen zugunsten Dritter bzw. seines Stiefelternteils hingegen erlangt der Abkömmling mit Geltendmachung des Pflichtteils eine Erbenstellung, Kap. 7 § 3 ErbG. Zuwendungen an den Pflichtteilsberechtigten aufgrund Vorempfangs und Testaments muss sich dieser auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen, Kap. 7 § 2 ErbG, soweit das Testament dies anordnet.
Rz. 381
Schenkungen des Erblassers, die ihrem Zweck nach einer letztwilligen Verfügung gleichkommen, sind dem Nachlass auf Verlangen eines Leibeserben zur Berechnung des Pflichtteils zuzurechnen, Kap. 7 § 4 ErbG. Ergänzungspflichtig sind also Schenkungen, die der Erblasser machte, als er mit seinem baldigen Tod rechnete, oder die dem Erblasser die weitere Nutzung der Sache ermöglichten, wie z.B. Schenkungen an Ehegatten oder Lebenspartner. Ansprüche auf Rückgabe von ergänzungspflichtigen Geschenken sind gegenüber dem Beschenkten innerhalb eines Jahres nach Fertigstellung des Nachlassinventars einzuklagen. War die Schenkung noch nicht vollzogen, kann sie nicht vollzogen werden, soweit sie den Pflichtteil des Leibeserben beeinträchtigt.