1. Rechtsnatur
Rz. 430
Nach dem neuen serbischen ErbG ist – offenbar anders als nach der bis dahin geltenden Rechtslage und auch anders als in anderen vormals jugoslawischen Einzelstaaten – der Pflichtteil ein auf Geldzahlung gerichteter Anspruch. Anderes kann sich allein dann ergeben, wenn der Erblasser zugunsten des Pflichtteilsberechtigten testamentarisch bestimmt hat, dass dieser seinen Pflichtteil als dingliche Mitberechtigung am Nachlass oder in Form bestimmter Gegenstände erhalten soll. Der Pflichtteilsberechtigte kann darüber hinaus eine gerichtliche Entscheidung dahingehend beantragen, dass er eine dingliche Beteiligung an den zum Nachlass gehörenden Sachen und Rechten erhält, Art. 43 serbErbG.
2. Pflichtteilsberechtigte Personen
Rz. 431
Gem. Art. 39 Abs. 1 serbErbG sind die Abkömmlinge und der Ehegatte, in der zweiten Erbordnung die Eltern und die Adoptiveltern stets pflichtteilsberechtigt. Im Rahmen der dritten Erbordnung sind Geschwister, Großeltern und weitere Vorfahren sowie im Wege einer "schwachen Adoption" angenommene Kinder nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn sie dauerhaft erwerbsunfähig sind und ihren Unterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können (sog. relative Pflichtteilsberechtigung). Da nur derjenige pflichtteilsberechtigt ist, wer auch gesetzlicher Erbe wäre (Art. 39 Abs. 3 serbErbG), ist der vom Erblasser dauerhaft getrennt lebende Ehegatte in den meisten Fällen automatisch auch vom Pflichtteil ausgeschlossen (siehe Rdn 426). Gleiches gilt, wenn der Erblasser bereits Scheidungsklage erhoben hatte und das Gericht feststellt, dass die Klage begründet gewesen wäre.
Rz. 432
Eine – vollständige oder teilweise – Entziehung des Pflichtteils ist durch ausdrückliche testamentarische Anordnung möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte schwerwiegend seine gesetzlichen oder sittlichen Pflichten gegenüber dem Erblasser verletzt hat, vorsätzlich eine Straftat gegen ihn, seinen Ehegatten oder seine Abkömmlinge begangen hat, sich beleidigend oder grob benommen hat oder einen ehrlosen Lebenswandel führt (Art. 61 serbErbG). Eine Pflichtteilsentziehung in guter Absicht erfolgt bei einem überschuldeten oder verschwenderischen Abkömmling, indem dessen minderjährige oder erwerbsunfähige Abkömmlinge eingesetzt werden, Art. 64 serbErbG.
3. Pflichtteilsquoten
Rz. 433
Der Pflichtteil beläuft sich für leibliche und adoptierte Abkömmlinge und den Ehegatten auf die Hälfte, für alle übrigen Berechtigten auf ein Drittel des gesetzlichen Erbteils, wobei die Erhöhungen und Verminderungen des Ehegattenerbteils einzubeziehen sind, Art. 40 serbErbG. Scheidet ein Pflichtteilsberechtigter kraft Ausschlagung oder aus anderem Grund aus, wächst sein Anteil den anderen Pflichtteilsberechtigten nicht zu.
Rz. 434
Ein lebzeitiges Geschenk des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten ist auf den Pflichtteil anzurechnen, sofern nicht der Erblasser die Anrechnung erlassen hat. Die Grenze liegt freilich dort, wo durch die Gewährung des vollen Pflichtteils die Pflichtteile anderer beeinträchtigt würden (Art. 67 f. serbErbG). Auch Geschenke an die Person, an deren Stelle der Pflichtteilsberechtigte kraft Eintrittsrechts tritt, sind anzurechnen.
4. Pflichtteilsergänzung
Rz. 435
Zur Berechnung des Pflichtteils werden dem Nachlass ohne zeitliche Befristung sämtliche lebzeitigen Geschenke des Erblassers an einen der gesetzlichen Erben zugerechnet. Der Begriff des Geschenks umfasst jede unentgeltliche Verfügung, den Verzicht auf Rechte, die Ausschlagung einer Erbschaft zugunsten einer bestimmten Person, eine Ausstattung etc. (Art. 50 serbErbG). Geschenke an eine Person, die nicht zu den gesetzlichen Erben gehört, unterliegen der Pflichtteilsergänzung nur, wenn sie innerhalb eines Jahres vor dem Erbfall erfolgten (Art. 48 Abs. 4 serbErbG).
5. Durchsetzung der Pflichtteilsrechte
Rz. 436
Soweit es sich bei dem Pflichtteilsrecht um eine Geldforderung handelt, kann der Berechtigte die Erben und Vermächtnisnehmer als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen. Der Erblasser kann die Verteilung der Pflichtteilslast im Innenverhältnis regeln, indem er diese einem Begünstigten auferlegt oder aber ihn von der Belastung ausnimmt, so dass er nachrangig zu den anderen haftet. Ansonsten tragen die Begünstigten die Pflichtteilslast entsprechend dem Wert ihrer Beteiligung am Nachlass, Art. 44 f. serbErbG. Ist der Nachlass erschöpft, kann der Berechtigte die Empfänger der pflichtteilsergänzungspflichtigen Schenkungen der Reihe nach, beginnend mit der zeitlich letzten Schenkung, so lange belangen, bis der Pflichtteil erreicht wird (Art. 44 serbErbG). Das ausnahmsweise dinglich wirkende Pflichtteilsrecht wird realisiert, indem die testamentarischen Verfügungen, hilfsweise auch lebzeitige Schenkungen, so weit reduziert werden, bis die dem Wert des Noterbrechts entsprechende Beteiligung am Nachlass wiederhergestellt worden ist (Art. 53 serbErbG).
Rz. 437
Das Pflichtteilsrecht verjährt in drei Jahren seit Eröffnung des Testaments. Für pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkungen beginnt die Frist für die Verjährung mit dem Tod des Erblassers zu laufen (Art. 58 serbErbG).