1. Australien
I. Internationales Erbrecht
Rz. 1
Australien ist Mehrrechtsstaat mit interlokaler Rechtsspaltung. Das materielle Erbrecht wie auch das internationale und interlokale Kollisionsrecht sind in den australischen Einzelstaaten und den beiden Territorien partikular geregelt (siehe dazu § 17 Rdn 109). Es entspricht jedoch in sämtlichen Gebieten von den Grundzügen her dem englischen Recht. Daher kommt es nach einer mit gewöhnlichem Aufenthalt in Australien verstorbenen Person insbesondere hinsichtlich des in Deutschland belegenen Immobiliennachlasses zu einer gem. Art. 34 EuErbVO beachtlichen Rückverweisung auf das deutsche Erbrecht (dazu § 17 Rdn 92). Abweichend vom englischen IPR wird family maintenance jedoch nicht nur bei domicile des Erblassers in Australien gewährt, sondern auch bei einem mit domicile im Ausland verstorbenen Erblasser bezogen auf den in Australien belegenen unbeweglichen Nachlass.
II. Pflichtteilsrecht
Rz. 2
Eine Reform zur Vereinheitlichung des materiellen Erbrechts in ganz Australien ist derzeit in Arbeit. Allerdings ist weiterhin davon auszugehen, dass jede einzelne Provinz ihr eigenes Erbrecht hat und im Einzelnen erhebliche Unterschiede bestehen können.
Die den testamentarisch übergangenen oder nicht ausreichend bedachten Angehörigen zustehende family maintenance in den australischen Rechtsordnungen entspricht in seinen Charakteristika der englischen family provision (siehe ausf. Rdn 135 ff.). Sie wird Ehegatten und Kindern, u.U. auch erwachsenen Kindern, nach Ermessen des Gerichts zugesprochen, in einigen Gebieten auch den Eltern des Erblassers. Der nichteheliche Lebenspartner (partner of a de-facto relationship) ist mittlerweile in den meisten Teilrechtsordnungen dem Ehegatten gleichgestellt. Ein zu Lebzeiten des Erblassers erklärter Verzicht auf Erb- und Pflichtteilsrechte ist nicht bindend.
2. Belgien
I. Internationales Erbrecht
1. Europäische Erbrechtsverordnung
Rz. 3
Für ab dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle ist in Belgien das Erbstatut nach den Vorschriften der EuErbVO zu bestimmen. Dabei ist für die Formwirksamkeit eines Testaments vorrangig das Haager Testamentsformübereinkommen vom 5.10.1961 zu beachten, welches für Belgien zum 19.12.1971 in Kraft getreten ist.
Die Aufgabe zur Erstellung von Europäischen Nachlasszertifikaten ist in Belgien den Notaren übertragen worden.
2. Auf vor dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle anwendbares Recht
Rz. 4
Für die Erbfälle, die vor dem 17.8.2015 eingetreten sind, ist zu beachten, dass durch das Gesetzbuch über das Internationale Privatrecht (CODIP) vom 16.7.2004 in Belgien das internationale Erbrecht – welches bis dahin weitgehend auf der Rezeption der französischen Rechtsprechung beruhte – erstmalig kodifiziert worden ist. Wie schon vor Erlass des Gesetzes galt eine gespaltene Anknüpfung: Die Mobiliarerbfolge wird in Art. 78 § 1 CODIP dem am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers geltenden Recht unterstellt. Hierunter ist gem. Art. 4 § 2 CODIP der Ort zu verstehen, an dem eine natürliche Person sich hauptsächlich niedergelassen hat. Für die Immobilienerbfolge gilt das am jeweiligen Belegenheitsort geltende Recht, Art. 78 § 2 CODIP.
Rz. 5
Rück- und Weiterverweisungen wurden nun gem. Art. 16 CODIP grundsätzlich nicht mehr befolgt.
Auch ein vor dem 16.8.2016 mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verstorbener belgischer Erblasser wird also nicht nur aus deutscher Sicht (wegen der Rückverweisung auf das Recht des Aufenthaltsstaates), sondern auch aus belgischer Sicht (wegen der Unbeachtlichkeit der durch Art. 25 Abs. 1 EGBGB eintretenden Rückverweisung aus belgischer Sicht) nach dem deutschen Recht beerbt.
Rz. 6
Neuerung des CODIP 2014 war die Einführung der erbrechtlichen Rechtswahl. Gem. Art. 79 CODIP konnte der Erblasser seinen gesamten Nachlass dem Recht eines anderen Staates unterwerfen, wenn er zum Zeitpunkt der Rechtswahl oder seines Todes diesem Staat angehörte oder dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Diese Rechtswahl konnte die Nachlassgestaltung und -abwicklung erheblich erleichtern, da sie zu einem einheitlichen Erbstatut führte und bei geschickter Gestaltung auch verhindert, dass aus deutscher und aus belgischer Sicht verschiedene Rechtsordnungen als Erbstatut gelten. Unsicherheiten ergaben sich jedoch aus Art. 79 S. 2 CODIP, wonach die Rechtswahl einem Erben nicht seinen Anspruch auf den ihm nach dem objektiv bestimmten Recht zugesicherten Pflichtteil entziehen darf. Die Auslegung dieser Klausel ist noch unklar. Tritt der Erbfall nach dem 15.8.2015 ein, s...