Rz. 74
Verschiedene, hier allenfalls exemplarisch zu beleuchtende Einzelfragen beschäftigen in diesem Zusammenhang in großer Zahl die Gerichte. Dabei ist mitunter schon die Grenzziehung zu § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nicht immer einfach.
aa) Mietwagenkosten
Rz. 75
Dies wird deutlich am Beispiel des Anspruchs auf Ersatz von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall: Macht ein Geschädigter diesen geltend, so fordert er keine Entschädigung nach § 251 BGB, sondern Naturalrestitution in Form des Herstellungsaufwands gem. § 249 BGB. Er kann demnach nur den zur Herstellung objektiv erforderlichen Betrag ersetzt verlangen, das heißt diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und erforderlich halten durfte. Der Geschädigte unterliegt insofern dem aus der Erforderlichkeit resultierenden Wirtschaftlichkeitsgebot, als er bei mehreren Wegen der Herstellung im Rahmen des Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren zu wählen hat, im Rahmen der Anmietung eines Ersatzwagens folglich regelmäßig nur einen Mietwagen-Normal- und nicht den deutlich teureren Unfallersatztarif; es sei denn, ersterer wäre dem Geschädigten ausnahmsweise nicht zugänglich oder die Besonderheiten des letzteren Tarifs rechtfertigten ausnahmsweise mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.Ä.) einen gegenüber dem "Normaltarif" höheren Preis. Schon diese grob skizzierten Gesichtspunkte verdeutlichen indessen: Bereits im Rahmen der Prüfung der "Erforderlichkeit" gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist nach zutreffender höchstrichterlicher Auffassung dem Rechtsgedanken der Schadensminderungspflicht, wie er in § 254 Abs. 2 BGB S. 1 Ausdruck findet, Rechnung zu tragen. Bei der Abgrenzung beider Fragen handelt es sich gleichwohl keineswegs um rein akademische oder gar begriffsjuristische Überlegungen ohne praktische Relevanz. Im Gegenteil: Denn mit der "Erforderlichkeit" steht eine Anspruchsvoraussetzung in Rede, so dass dem Geschädigten die entsprechende Darlegungs- und Beweislast obliegt; eine etwaige Nichterweislichkeit (non liquet) geht mithin zu seinen Lasten. Demgegenüber trifft den Schädiger die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des Einwendungstatbestands des § 254 BGB; Zweifel gehen demgemäß mit ihm heim.
bb) Restwert
Rz. 76
Eine ähnliche Situation wie vorstehend skizziert stellt sich bei der Frage, in welcher Höhe sich ein Geschädigter den Restwert seines unfallbeschädigten Fahrzeugs im Falle eines Totalschadens anrechnen lassen muss (vgl. dazu auch § 14 Rdn 87). Zwar hat der Bundesgerichtshof insoweit klargestellt, dass ein Unfallgeschädigter dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit nach § 249 BGB im Allgemeinen genügt, wenn er die Veräußerung seines Fahrzeugs zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Insbesondere ist der Geschädigte grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Um seiner sich aus § 254 Abs. 2 S. 1 BGB ergebenden Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens zu genügen, kann der Geschädigte gleichwohl im Einzelfall gehalten sein, von einer danach – grundsätzlich – zulässigen Verwertung des Unfallfahrzeugs Abstand zu nehmen und im Rahmen des Zumutbaren andere sich ihm darbietende Verwertungsmöglichkeiten zu ergreifen. Das gilt etwa dann, wenn der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners dem Geschädigten – wie es inzwischen immer häufiger geschieht – vor der Veräußerung des Fahrzeugs eine erheblich günstigere, verbindliche Verwertungsmöglichkeit unterbreitet, die der Geschädigte ohne weiteres wahrnehmen kann und deren Wahrnehmung ihm auch zumutbar ist, weil dabei eine Abholung des Unfallfahrzeugs gegen Barzahlung garantiert wird und der Geschädigte lediglich telefonisch annehmen muss. Das führt freilich zu der Folgefrage, ob der Geschädigte mit Blick auf § 254 Abs. 2 BGB nicht auch grundsätzlich gehalten ist, vor einer Veräußerung dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners Gelegenheit zu geben, ein höheres Restwertangebot zu unterbreiten, mithin diesem das eingeholte Schadensgutachten zukommen lassen (und – zusätzlich – eine angemessene Frist von einer Woche abwarten) muss, bevor er sein Fahrzeug zu dem im Gutachten angegebenen Restwert veräußert. Dies hat jedenfalls das OLG Köln – in Abweichung von bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – bejaht.