Rz. 38
In den übrigen Fällen, namentlich bei (– wie in Verkehrsunfallsachen häufig – allenfalls fahrlässig handelnden) Nebentätern, bei denen keine rechtliche Grundlage für eine wechselseitige Zurechnung ihrer Verursachungsbeiträge besteht, gilt demgegenüber nach einer grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.6.1959: Haften mehrere Personen – etwa bei einem Unfall mit mehr als zwei Beteiligten – als Gesamtschuldner, so kann die Gewichtung des Mitverursachungs- bzw. Mitverschuldensbeitrags des Verletzten gegenüber jedem beteiligten Gesamtschuldner verschieden ausfallen. Zunächst hat in derartigen Fällen eine Einzelabwägung zwischen dem Verletzten und jedem einzelnen Gesamtschuldner zu erfolgen. Alsdann folgt eine Gesamtabwägung, bei der die Verantwortungsanteile aller Schädiger gegen den des Geschädigten abgewogen werden. Die sich daraus ergebende Quote erhält der Geschädigte insgesamt. Hiervon trägt der einzelne Schädiger jedoch nur die Quote, die der in der betreffenden Einzelbetrachtung entspricht, insoweit aber als Gesamtschuldner neben den anderen Schädigern. Der Bundesgerichtshof geht insofern zutreffend davon aus, dass es bei Beteiligung mehrerer Schädiger nicht sachgerecht wäre, wenn der Geschädigte im Ergebnis nicht über die Höchstquote hinauskäme, die sich bei der Einzelabwägung im Verhältnis zu dem am stärksten beteiligten Schädiger ergibt. Es soll verhindert werden, dass der Geschädigte, der sich einen eigenen Tatbeitrag entgegenhalten lassen muss, gegenüber mehreren ersatzpflichtigen Schädigern im Ergebnis einen größeren Teil des Schadens zu tragen hat, als es seinem Verursachungsbeitrag entspricht. Die Nebentäter sind nicht nur in Höhe der niedrigsten gemeinsamen Haftungsquote Schuldner. Der Gesamtschuldanteil wird nach dem Verhältnis der Haftungsquoten errechnet, wenn der von dem Geschädigten selbst zu tragende Anteil abgezogen ist. Der Bundesgerichtshof hat die Rechenmethode selbst an einem Beispiel verdeutlicht:
Rz. 39
Beispiel:
A hat durch eigene Unvorsichtigkeit und durch die schuldhafte Fahrweise der Kraftfahrer B und C einen Unfallschaden erlitten. Ist der Unfallbeitrag der drei Beteiligten gleich hoch und beträgt der Schaden des A 3.000 DM (oder EUR), so führt die Einzelabwägung dazu, dass der Unfallbeitrag des A im Verhältnis zu dem des B gleich hoch ist (1:1). Daher hat A von B 1.500 DM zu beanspruchen. Das gleiche gilt für das Verhältnis des A zu C. Verlangt nun A von B und C Schadensersatz, so ist nach dieser Einzelabwägung weiter zu prüfen, welcher Anteil der drei Beteiligten sich bei einer Gesamtschau ihrer Verantwortung für den Unfall ergibt. Da aus dieser Sicht A, B und C zu je ⅓ der Verantwortung trifft, hat A nur ⅓ seines Schadens (1.000 DM) selbst zu tragen, während er von B und C insgesamt ⅔ (2.000 DM) ersetzt verlangen kann. Die Verbindung dieser Abwägungsergebnisse (Einzel- und Gesamtabwägung) führt zu folgender Lösung: B und C haben an A insgesamt 2.000 DM zu zahlen, jedoch kann jeder von ihnen nur auf Zahlung von höchstens 1.500 DM in Anspruch genommen werden.
Mit anderen Worten: A kann von B 1.500 DM, von C ebenfalls 1.500 DM, von beiden zusammen aber nicht mehr als 2.000 DM ersetzt verlangen. Der Ausgleich zwischen B und C bleibt auch hier dem Innenverhältnis überlassen. Hat B die von ihm geschuldeten 1.500 DM an A gezahlt, so schuldet C ihm 500 DM als Schadensausgleich nach § 17 StVG. A kann, weil er in Höhe von 1.500 DM befriedigt ist, von C nur noch 500 DM beanspruchen.
Rz. 40
Solidar- und Separatquoten der Haftenden sind danach immer so aufeinander abzustimmen, dass der Geschädigte das bekommt, was ihm nach der Gesamtabwägung zusteht, und jeder Schädiger auf das haftet, was nach der Einzelabwägung auf ihn entfällt.
Rz. 41
Steffen und Hagenloch haben eine Formel zur Ermittlung der Gesamtschuld erarbeitet, die den Geschädigten auch angemessen am Insolvenzrisiko eines Schuldners im Verhältnis zu seiner Quote mitbeteiligen soll. Danach ist von der auf den einzelnen Schädiger in der Gesamtschau entfallenden Quote zunächst der Teil zu berechnen, der von dieser Quote beim Ausfall dieses Schädigers anteilig vom Geschädigten zu übernehmen wäre. Diese außerhalb der Gesamtschuld stehende sog. Separat-Quote wird so ermittelt, dass dieser Schädiger in der Gesamtschau schlicht hinweg gedacht wird. Damit erhöhen sich die Quoten aller übrigen Beteiligten einschließlich des Selbstbehalts des Geschädigten anteilmäßig. Dieser Zusatzbetrag für den Geschädigten ist die Separat-Quote, auf die der Schädiger außerhalb der Gesamtschuld leistet.
Rz. 42
Beispiel:
Sind Geschädigter und drei Schädiger zu gleichen Anteilen am Gesamtschaden von 12.000 DM (oder EUR) beteiligt, haftet nach der Einzelabwägung jeder Schädiger im Verhältnis 1:1 auf höchstens 6.000 DM; in der Gesamtschau ist der Selbstbehalt des Geschädigten bei gesundem Ausgleichsverhältnis ¼, d.h. 3.000 DM. Ist nun Schädiger A insolvent, dann ist der Gesamtschaden statt auf vie...