Rz. 95

Anderes gilt für die Schadensabwendungs- bzw. Schadensminderungsobliegenheit. Da durch das Schadensereignis wie auch durch die hieraus für den Geschädigten zumindest aus § 254 Abs. 2 BGB erwachsenden Obliegenheiten ein hinreichendes gesetzliches Schuldverhältnis entsteht, muss sich ein Minderjähriger ein nachfolgend festzustellendes Mitverschulden seiner gesetzlichen Vertreter oder sonst Aufsichtspflichtigen ggfs. anrechnen lassen.[280] So kann aus der Sorgepflicht der Eltern beispielsweise die Verpflichtung erwachsen, sich selbst um eine geeignete (medizinische) Behandlung des Kindes zu bemühen und/oder sich bei den zuständigen Stellen Rat zu holen.[281]

 

Rz. 96

Im Übrigen ist auch zu beachten, dass in Fällen, in denen Schädiger und Geschädigter in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben, das Gesetz den Schädiger unter bestimmten Voraussetzungen davor schützt, dass er vom Sozialversicherungsträger oder Haftpflichtversicherer im Wege des Rückgriffs belangt wird (Familienprivileg); und zwar, deshalb, weil bei einer häuslichen Gemeinschaft oft zugleich eine Wirtschaftsgemeinschaft bestehen wird, so dass ein Regress letztlich auch den Geschädigten wirtschaftlich belasten würde; zudem drohte dadurch der häusliche Friede gefährdet zu werden. Daher schließt z.B. § 116 Abs. 6 S. 1 SGB X im Sozialversicherungsrecht bereits die Legalzession gegen den (familienangehörigen) Schädiger aus. Demgegenüber sieht § 86 Abs. 3 VVG seit der Reform von 2008 vor, dass der Anspruch (zwar) übergeht, dieser freilich gegen den (in häuslicher Gemeinschaft mit dem Geschädigten lebenden) Schädiger nicht geltend gemacht werden kann.[282] Insoweit hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass dann, wenn aufgrund eines Verkehrsunfalls neben dem angehörigen Schädiger ein Fremdschädiger für denselben kongruenten Schaden haftet, infolge der Regelungen des § 116 Abs. 1 und 6 SGB X verschiedene Schuldverhältnisse, auf die die Regelungen der §§ 422 Abs. 1 S. 1, 426, 430 BGB entsprechend anwendbar sind; in dieser besonderen Fallgestaltung ist der Anspruch des Geschädigten gegen den familienangehörigen Schädiger bzw. dessen Versicherer gem. § 242 BGB auf das beschränkt, was er bei einem Erhalt der Leistungen vonseiten des angehörigen Schädigers analog § 430 BGB im Verhältnis zum Sozialversicherungsträger behalten dürfte, um eine ungerechtfertigte Doppelzahlung an den Geschädigten zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu vermeiden.[283]

[280] BGH, Urt. v. 1.3.1988 – VI ZR 190/87, NJW 1988, 2667, 2668; MüKo-BGB/Oetker, § 254 BGB, Rn 140; Palandt/Grüneberg, § 254 BGB, Rn 55 m.w.N.
[281] Vgl. BGH, Urt. v. 4.12.1969 – III ZR 138/67, VersR 1970, 272.
[282] Vgl. dazu Armbrüster, NJW 2018, 1218.
[283] BGH, Urt. v. 17.10.2017 – VI ZR 423/16, NJW 2018, 1242= r+s 2018, 43 m. Anm. Lemcke = NZV 2018, 133 m. Anm. Martin. Dazu auch Armbrüster, NJW 2018, 1218, Jahnke, jurisPR-VerkR 5/2018, Anm. 1 sowie Offenloch, DAR 2018, 302, 305.

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