Rz. 81
Anerkanntermaßen ist ein Geschädigter auch im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, die ihm – trotz Unfalls – verbliebene Arbeitskraft zur Abwendung bzw. Minderung des Erwerbsschadens zu verwenden. Demgemäß stellt die Aufgabe einer bestehenden Arbeitsstelle seitens des Verletzten ohne zwingenden Grund in der Regel eine Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit dar; das gilt jedoch nicht für einen geistig behinderten Verletzten, der sein Arbeitsverhältnis auf Anraten seines Arbeitsgebers von sich aus löst. Der Geschädigte hat alles Zumutbare zu unternehmen, um einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden; hierfür genügt eine schlichte Meldung bei der Arbeitsagentur nicht. Erfordert das Erreichen eines Arbeitsplatzes die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs, hat dieses zu erfolgen. Der Abzug fiktiver Einkünfte erfordert aber die Feststellung, dass für den Geschädigten auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich eine Arbeitsmöglichkeit bestanden hätte.
Rz. 82
Eine zweckmäßige Umschulung auf einen anderen Beruf darf der Geschädigte nicht ohne weiteres ablehnen. Ob ihm auch ein Umzug zugemutet werden kann, bestimmt sich nach seinen persönlichen, insbesondere auch familiären Verhältnissen, namentlich etwa der Notwendigkeit einer Pflege durch Familienangehörige, und der Aussicht, in dem neuen Beruf wenigstens einen Teil des Schadens mindern zu können. Dem Rehabilitationsträger als Rechtsnachfolger des Verletzten steht ein Anspruch auf Ersatz der Umschulungskosten zu, soweit der Schädiger nicht einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht geltend machen kann. Eine andere Arbeitsmöglichkeit muss der Schädiger dem Verletzten positiv nachweisen; die bloße Behauptung, dieser könnte bei entsprechenden Bemühungen eine andere Arbeit finden, genügt nicht. Der Geschädigte hat jedoch darzutun, was er unternommen hat, um einen angemessenen Arbeitsplatz zu finden. Hat der Schädiger eine konkrete zumutbare Arbeitsmöglichkeit nachgewiesen, ist es Sache des Verletzten, darzulegen und zu beweisen, warum er diese nicht hat nutzen können. Fehlt dem Verletzten infolge des Unfalles die Kraft zur Verwendung seiner verbliebenen Arbeitskraft, so kann der Schädiger dafür einstehen müssen. Erträge aus einer überobligationsgemäßen Erwerbstätigkeit, zu der der Geschädigte also nicht verpflichtet ist, führen im Allgemeinen nicht zu einer Verkürzung seines Erwerbsschadensersatzanspruchs. Es kann aber gegen § 254 Abs. 2 BGB verstoßen, wenn ein Geschädigter durch eine gesundheitlich überfordernde Arbeit eine weitere Erwerbstätigkeit unmöglich macht.
Rz. 83
Ein verletzter Selbstständiger kann unter Schadensminderungsgesichtspunkten gehalten sein, den Betrieb unter Umständen mit einem oder verschiedenen Vertretern/Hilfskräften fortzuführen und ausgefallene Arbeit im Rahmen des Zumutbaren nachzuholen.