I. Einwendung
Rz. 101
§ 254 BGB begründet nach der Fassung des Gesetzes keine Einrede, sondern eine Einwendung und ist infolgedessen von Amts wegen zu prüfen, sofern der Tatsachenvortrag der Parteien die Anwendung der Vorschrift rechtfertigt.
II. Darlegungs- und Beweislast
Rz. 102
Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Anwendung von § 254 BGB trägt grundsätzlich derjenige, welcher sich hierauf beruft, also grundsätzlich der Schädiger. Der Geschädigte muss aber, soweit es um Umstände aus seiner Sphäre geht, an der Sachaufklärung mitwirken. Er muss erforderlichenfalls etwa darlegen, was er zur Schadensminderung unternommen hat. War ein Geschädigter bei dem Unfall nicht angegurtet, soll er für seine Behauptung beweispflichtig sein, er hätte mit angelegtem Gurt, wenn auch nicht dieselben, so doch ebenso schwer wiegende Verletzungen erlitten. Bei bestimmten typischen Gruppen von Unfallverletzungen kann jedenfalls ein Anscheinsbeweis dafür bejaht werden, dass ein verletzter Pkw-Insasse den Sicherheitsgurt nicht benutzt hat. Zur Beweislast, wenn der Schädiger behauptet, der Geschädigte verlange mehr als die erforderlichen Kosten (z.B. Mietwagen), oder ein höherer Restwert des Fahrzeuges sei zu realisieren gewesen vgl. bereits Rdn 74 f.
Rz. 103
Zu den Konsequenzen für die Darlegungs- und Beweislast am Beispiel des (Nicht-)Bestehens einer günstigeren Reparaturmöglichkeit für ein unfallbeschädigtes Kraftfahrzeug instruktiv auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Schädiger kann den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden.
III. Beweismaß
Rz. 104
Trifft den Geschädigten bei der Entstehung des Schadens ein mitwirkendes Verschulden, so ist die haftungsbegründende Kausalität nach dem Strengbeweis des § 286 ZPO, die haftungsausfüllende Kausalität, das heißt die Beantwortung der Frage, welchen Einfluss die Obliegenheitsverletzung auf den Umfang des zu ersetzenden Schadens hatte, hingegen nach § 287 ZPO (Beweiserleichterung) zu beurteilen.
IV. Überprüfbarkeit im Instanzenzug
Rz. 105
Da bei der Abwägungsentscheidung ausschließlich feststehende, das heißt entweder unstreitige oder bewiesene Tatsachen, die schadens-(mit-)ursächlich geworden sind, berücksichtigt werden, wofür § 286 ZPO gilt, ist dies – die Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen von § 254 BGB – auf ein Rechtsmittel (Berufung oder Revision) vollumfänglich überprüfbar.
Rz. 106
Die – als Rechtsfolge vorzunehmende – Abwägung der einzelnen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge des Verletzten und des Ersatzpflichtigen sowie etwaiger Betriebsgefahren nach § 254 BGB obliegt hingegen grundsätzlich dem insoweit – nach dem erklärten gesetzgeberischen Willen (vgl. § 287 Abs. 1 ZPO) wie auch ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung – besonders frei gestellten Tatrichter. Das Revisionsgericht überprüft diese Abwägungsentscheidung regelmäßig nur darauf, ob alle relevanten Umstände vollständig und richtig berücksichtigt wurden und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind. Die Abwägung darf insbesondere nicht schematisch erfolgen, sondern einzelfallbezogen. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung haben bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile außer Betracht zu bleiben.
V. Spezialfragen
Rz. 107
Zu Grundurteil und Mitverschulden vergleiche § 17 Rdn 64 vor allem § 27; zum Mitverschulden i...