Rz. 56

Auch im schiedsrichterlichen Verfahren können einvernehmliche Regelungen getroffen werden. Einigen sich die Parteien während eines Schiedsgerichtsverfahrens, so haben sie die Möglichkeit, den Vergleich in der Form eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut festzulegen, § 1053 ZPO. Schiedsgerichtsordnungen von institutionalisierten Schiedsgerichten können durch entsprechende Kostenermäßigungen solche Einigungen begünstigen und fördern. Der Vergleich setzt wie § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben voraus. Auch verfahrensfremde Gegenstände können mit einbezogen werden.

 

Rz. 57

Zum Testamentsauslegungsvertrag: Mit seiner in NJW 1986, 1812 abgedruckten Entscheidung hat der BGH die Möglichkeit einer vergleichsweisen Einigung auch über die Erbenstellung anerkannt, wenn die Auslegung streitig ist.[75] Der Auslegungsvertrag – gerichtlich oder außergerichtlich geschlossen – hat zwar nur schuldrechtliche Wirkung (§§ 311, 2371, 2385 BGB), aber die Beteiligten haben sich so zu stellen, als entspräche ihre Einigung der wirklichen Rechtslage, selbst wenn diese sich nachträglich als unzutreffend herausstellen sollte. Um eine solche Einigung herbeizuführen, bedarf es der Mitwirkung aller, deren materielle Rechtsposition betroffen ist – vergleichbar dem Kreis der "materiell Beteiligten" im FG-Verfahren: Materiell Beteiligter ist jeder, dessen materielle Rechtsposition durch die begehrte (FG- oder Streit-)Entscheidung betroffen werden kann (so auch § 345 Abs. 1 Nr. 5 FamFG).[76]

Da ein Auslegungsvertrag die Beteiligten jedoch lediglich schuldrechtlich verpflichten kann, können die Erbfolge oder einzelne Anordnungen des Testaments (wie z.B. Auflagen, die Anordnung der Testamentsvollstreckung, die Vormundbenennung oder auch der Entzug der elterlichen Vermögenssorge) dadurch nicht verbindlich vereinbart oder gar außer Kraft gesetzt werden.[77] Wenn die Beteiligten auch eine dingliche Wirkung erreichen wollen, ist dies nur durch Erbteilsübertragungen gem. § 2033 BGB möglich. Hierfür ist jedoch gem. § 2385 BGB eine notarielle Beurkundung erforderlich.[78]

 

Rz. 58

Der Auslegungsvertrag fällt unter § 2385 BGB (sog. "anderer Erbschaftsveräußerungsvertrag") und bedarf deshalb der notariellen Beurkundung (§§ 2033, 2371 BGB) oder des die notarielle Beurkundungsform ersetzenden gerichtlichen Vergleichs (§ 127a BGB). Die Einigung kann sich auf alle erbrechtlichen Positionen beziehen, wie Erbenstellung, Vermächtnisansprüche einschließlich deren Kürzung, Pflichtteilsrechte, Pflichtteilstragungslast u.Ä. Der Vergleich kann auch vor dem Schiedsgericht als Schiedsvergleich geschlossen werden.[79] Dass auch der Schiedsvergleich die notarielle Beurkundung i.S.v. § 127a BGB ersetzt, ist h.M.[80] Der Schiedsspruch gilt jedoch nur inter partes und nicht inter omnes. Somit kann ein Schiedsspruch einen Erbschein als Nachweis der Erbfolge im Grundbuchverfahren nicht ersetzen. Der Testamentsauslegungsvertrag in der Form des Erbvergleichs erlangt besondere Bedeutung bei der Anerkennung unwirksamer Testamente im Steuerrecht, insbesondere im Erbschaftsteuerrecht.[81]

[75] Gutachten des DNotI in DNotI-Report 2005, 147; OLG Frankfurt DNotZ 2001, 143 m. Anm. Kanzleiter = FamRZ 2000, 1607 = ZEV 2001, 316. Vgl. auch Anm. von Damrau, JR 1986, 375, und Cieslar, DNotZ 1987, 113.
[76] Vgl. auch BVerfG FamRZ 2009, 106 = NJW 2009, 138 = ZEV 2009, 44.
[77] BGH NJW 1986, 1812 = DNotZ 1987, 109 = JR 1986, 373.
[78] BGH NJW 1986, 1812 = DNotZ 1987, 109 = JR 1986, 373.
[79] Breetzke, NJW 1971, 1685; MüKo/Förschler, § 127a Rn 4.
[80] Zöller/Geimer, § 1053 Rn 7; a.A. BayObLGZ 1984, 45.
[81] Vgl. hierzu Theysohn-Wadle, ZEV 2002, 221; zum Auslegungsvertrag siehe Dressler, ZEV 1999, 289.

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