Dr. Joachim Wichert, Walter Krug
I. Erbenfeststellung
Rz. 66
In streitigen Fällen zwischen Erbprätendenten kann auch der Weg über eine Feststellungsklage im Zivilprozess gegangen werden, § 256 Abs. 1 ZPO. Das Erbrecht nach einer bestimmten Person ist ein Rechtsverhältnis, das zu klären ist. Ein Feststellungsinteresse ist deshalb grundsätzlich zu bejahen, auch wenn ein Erbscheinsverfahren bereits betrieben wird oder sogar schon abgeschlossen ist. In der Praxis geht es dabei am häufigsten um die Problembereiche der Testierfreiheit, der Testierunfähigkeit, der Anfechtung oder der Sittenwidrigkeit einer Verfügung von Todes wegen, der Frage ihres wirksamen Widerrufs oder ihrer Auslegung, also materiellrechtliche Fragen, die grundsätzlich in die Kompetenz eines Schiedsgerichts fallen können.
Für eine Feststellungsklage besteht auch dann ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn ein Erbscheinsverfahren anhängig gemacht werden könnte, während eines laufenden Erbscheinsverfahrens oder wenn ein Erbschein bereits erteilt wurde. Das Schiedsverfahren über die Feststellung eines Erbrechts kann auch nicht wegen eines bereits anhängigen Erbscheinsverfahrens nach § 148 ZPO ausgesetzt werden. Hat der Erblasser die Entscheidung eines Streits seiner Erbprätendenten durch Schiedsgericht testamentarisch verfügt, ist nach einer Entscheidung des OLG Celle ein Erbscheinsantrag unzulässig. Sollte einer positiven Feststellungsklage stattgegeben werden, so steht im Verhältnis der beiden Prozessparteien fest, dass der Kläger Erbe geworden ist, denn der ergehende Schiedsspruch wirkt zwischen den Schiedsparteien wie ein rechtskräftiges Zivilurteil, § 1055 ZPO.
Rz. 67
Der wesentlichste Unterschied zwischen einem Erbschein und einem Schiedsspruch im Feststellungsschiedsverfahren besteht darin, dass ein Erbschein weder in formelle noch in materielle Rechtskraft erwachsen kann – im Gegensatz zum Feststellungsschiedsspruch bzw. -urteil.
Gemäß § 2365 BGB wird vermutet, dass demjenigen, welcher in dem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, das in dem Erbschein angegebene Erbrecht zustehe und dass er nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen beschränkt sei (Richtigkeitsvermutung). Der Erbschein erwächst aber nicht in Rechtskraft; er wirkt inter omnes. Der Schiedsspruch hingegen erwächst in formelle und materielle Rechtskraft, wirkt aber nur inter partes. Weder das Erbscheinsverfahren noch das Beschwerdeverfahren können jedoch der Schiedsgerichtsbarkeit unterstellt werden.
Rz. 68
Für das Erbscheinsverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 26 FamFG, während für den Feststellungsprozess der Beibringungsgrundsatz gilt.
Ausgangspunkt ist die vollkommen andere Situation der an einem FG-Verfahren beteiligten Personen im Vergleich zum Schiedsverfahren bzw. zum Zivilprozess. Während im Schiedsverfahren aufgrund des dort – wie im allgemeinen Zivilprozess – geltenden formellen Parteibegriffs die Person des Klägers und des Beklagten und damit der jeweiligen Prozesspartei ohne weiteres aus der Klageschrift entnommen werden und damit die formale Rechtsstellung des Betroffenen festgestellt werden kann, ist es im Erbscheinsverfahren Sache des Nachlassgerichts, die Beteiligten auszumachen.
Rz. 69
Die Beteiligten eines Erbscheinsverfahrens ergeben sich aus § 345 FamFG. Es wird hier unterschieden zwischen dem sog. "Muss-Beteiligten" und den "Kann-Beteiligten".
Lediglich der Antragsteller ist zwingend Beteiligter (Muss-Beteiligter). Die gesetzlichen Erben, diejenigen, die nach dem Inhalt einer vorliegenden Verfügung von Todes wegen als Erben in Betracht kommen bzw. die weiter in § 345 Abs. 1 FamFG genannten Personen müssen lediglich hinzugezogen bzw. beteiligt werden, sofern sie einen entsprechenden Antrag stellen.
§ 345 Abs. 1 S. 2 FamFG knüpft dabei an § 7 Abs. 3 FamFG an. Danach kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag weitere Personen als Beteiligte hinzuziehen, soweit dies in diesem oder einem anderen Gesetz vorgesehen ist. In der Regel sind diese Personen dann materiell Beteiligte. Unter diesen Begriff fällt jede Person, die von der zu treffenden Entscheidung in ihrem möglichen Erbrecht unmittelbar rechtlich betroffen werden kann. Erfolgt eine Beiziehung durch das Gericht, werden diese Personen gleichzeitig zu formell Beteiligten.
Allerdings ist anzumerken, dass aufgrund eines Beschlusses des BVerfG aus dem Jahr 2008 "auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit Art. 103 Abs. 1 GG zu beachten ist". Dies gelte unabhängig davon, ob die Anhörung im Gesetz vorgesehen sei, auch für Verfahren, in denen der Untersuchungsgrundsatz gelte. Dieses grundrechtsgleiche Recht steht über der Vorschrift des § 345 FamFG. Aufgrund der Vorschrift des § 7 Abs. 4 S. 2 FamFG sind die in § 345 FamFG genannten Personen daher auf ihr Antragsrecht hinzuweisen. Wird trotz dieses Hinweises kein Antrag auf Beiziehung gestellt, wird somit stillschweigend auf das Recht auf Gehör verzichtet. Dies ist auch zulässig.
Rz. 70
Für den Fall, dass die "materiell Beteiligten" im Erbscheinsverfahren mit den Per...