Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
A. Sachverhalte des internationalen Erbrechts
Rz. 1
Erbfälle mit internationalem Bezug gehören sowohl aufgrund der zunehmenden Mobilität breiter Bevölkerungsschichten als auch dem zunehmenden Auslandsvermögen deutscher Staatsangehöriger heute bereits zum Regelfall. Darüber hinaus führen immer häufiger anzutreffende gemischt nationale Ehen zu Einflüssen des internationalen Erbrechts auf die Vermögensnachfolge.
Folgende typische Sachverhalte mit Auslandsbezug führen zur Anwendung internationalen Erbrechts:
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fremde Staatsangehörigkeit, Mehrstaatlichkeit oder Staatenlosigkeit eines Beteiligten; |
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Auslandbelegenheit eines Nachlassgegenstandes; |
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ausländischer Vornahmeort einer letztwilligen Verfügung; |
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Vereinbarung der Anwendung ausländischen Rechts durch die Beteiligten (sog. Rechtsformwahl bei letztwilligen Verfügungen). |
Die Sachverhalte internationalen Erbrechts und die Auswirkungen auf die Testamentsvollstreckung sind dermaßen mannigfaltig, dass ihre Aufarbeitung den Rahmen dieses Buches vollkommen sprengen würde. Im Handbuch von Bengel/Reimann werden dem Thema durch fünf Autoren nahezu 180 Seiten mit über 500 Randnummern gewidmet. Insoweit können nachfolgend nur einige wenige Hinweise gegeben werden. Zur Vertiefung sei auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen.
B. Europäische Erbrechtsverordnung
Rz. 2
Mit dem Inkrafttreten der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) am 15.8.2015 wurden wesentliche Regelungen zur Rechtsnachfolge von Todes wegen in Fällen mit Auslandsbezug umstrukturiert. Primäre Idee ist die Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts auch auf dem Gebiet des Erbrechts und die Vereinfachung der Abwicklung eines Nachlasses. Die EuErbVO findet Anwendung auf alle Todesfälle ab dem 17.8.2015, unabhängig von der vorherigen Errichtung eines Testaments, vgl. Art. 83 Abs. 1 EuErbVO. Mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Großbritannien gilt die EuErbVO in allen EU-Mitgliedstaaten. Sie erfasst weiterhin in Drittstaaten lebende EU-Bürger. Unter Umständen bestehende Staatsverträge mit anderen Staaten, z.B. der Türkei, dem Iran oder den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, genießen aus deutscher Sicht Vorrang, Art. 75 EuErbVO.
Rz. 3
Während vor der Geltung der EuErbVO das Staatsangehörigkeitsprinzip galt, gilt nunmehr das Recht des Staates, in welchem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dass die Feststellung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts nicht immer zweifelsfrei erfolgen kann, machen Beispiele deutlich, in denen es um Grenz- oder Langzeitpendler (Stichwort "Mallorca-Rentner") oder auch Wanderarbeiter geht. Auch Fälle, in denen der Erblasser die Verlagerung seines gewöhnlichen Aufenthalts simuliert oder der demente Erblasser zur Kostenersparnis in ein ausländisches Pflegeheim gebracht wird, sind problematisch. Die testamentarische Regelung des gewöhnlichen Aufenthalts und eine damit verbundene Aufnahme einer Rechtswahl zugunsten des Aufenthaltsrechts ist in der EuErbVO nicht vorgesehen.
Rz. 4
Durch die mit dem Inkrafttreten der EuErbVO einhergehende Änderung des bis dato geltenden Art. 25 EGBGB wurde der Anwendungsbereich der EuErbVO auch auf solche Gegenstände ausgedehnt, die zwar nicht nach der Verordnung, wohl aber nach bisherigem autonomen deutschen internationalen Privatrecht erbrechtlich qualifiziert werden.
Die EuErbVO findet auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen Anwendung, mit Ausnahme von Steuer-, Zoll- und Verwaltungsangelegenheiten. Weiterhin sind die ausgenommenen Angelegenheiten, wie sie in Art. 1 Abs. 2 EuErbVO genannt sind, zu beachten. Unter "Rechtsnachfolge von Todes wegen" versteht man jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge, durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge. Die Form der letztwilligen Verfügung richtet sich nach dem Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht von 1961, welches durch Art. 26 EGBGB fast wörtlich ins deutsche Recht übernommen wurde.
Rz. 5
Es gilt der Grundsatz der Nachlasseinheit. Die EuErbVO bestimmt einheitlich für den gesamten Nachlass, welches nationale Erbrecht zur Anwendung kommt. Eine Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen findet nicht mehr statt.
Beispiel
Die deutsche Staatsangehörige E lebt schon seit vielen Jahren auf ihrem Weingut in Südfrankreich. Als sie dort verstirbt, hinterlässt sie neben diesem Weingut noch eine Wohnung in Düsseldorf.
Grundsätzlich gilt in diesem Fall Art. 21 Abs. 1 EuErbVO und damit für den gesamten Nachlass französisches Recht, da E ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Erbfalls in Frankreich ...