a) Allgefahrendeckung
aa) Universalität der Gefahren
Rz. 34
Es gilt nach Ziff. 2.1 DTV-Güter 2000/2011, Ziff. 1.1.1 ADS Güterversicherung 73/84/94 der uneingeschränkte Grundsatz der Universalität oder Totalität der Gefahren. Jede Gefahr, d.h. auch kommerzielles Risiko, ist versichert. Soll eine Gefahr ausgeschlossen werden, muss sie in den Katalog der Ausschlüsse aufgenommen werden.
bb) Gefahr
Rz. 35
Gefahr ist die Möglichkeit der Entstehung eines Schadens. Gefahr ist also nicht gleichbedeutend mit dem Eintritt eines Versicherungsfalls, sondern meint die Ursache eines künftig eintretenden oder bereits eingetretenen Schadens. Gefahr bedeutet kurz: Schadensursache. Beispiele sind Transportmittelunfall, Feuer, Sturm, Krieg oder Kernenergie.
cc) Dauer der Versicherung
Rz. 36
Die Dauer der Versicherung wird in Ziff. 8 DTV-Güter 2000/2011 bzw. in Ziff. 5 ADS Güterversicherung 73/84/94 geregelt. Für Aufenthalte und Lagerungen enthält Ziff. 9 DTV-Güter 2000/2011 eigene Bestimmungen.
dd) Vermögensschaden: Verlust oder Beschädigung
Rz. 37
Die Güterversicherung setzt stets einen Vermögensschaden zu Lasten des versicherten Interesses voraus. Schäden in der Güterversicherung entstehen vor allem in Fällen von Verlust oder Beschädigung des Gutes. Der Verlust oder die Beschädigung führt zu einem Geldbedarf (Vermögensschaden) für Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung beim Träger des Interesses. Unter Verlust fällt nach Ziff. 17.1 DTV-Güter 2000/20011, 7.1 ADS Güterversicherung 73/84/94 auch der Sachentzug und die Zerstörung des Gutes in seiner ursprünglichen Beschaffenheit. Die Beschädigung ist in Ziff. 17.3–17.4 DTV-Güter 2000/2011 bzw. Ziff. 7.3–7.4 ADS Güterversicherung 73/84/94 geregelt.
b) Versicherte Aufwendungen und Kosten
aa) Beitrag zur großen Haverei
Rz. 38
Der Versicherer ersetzt nach Ziff. 2.3.1.1 DTV-Güter 2000/2011, Ziff. 1.5 ADS Güterversicherung 73/84/94 auch den Beitrag zur großen Haverei sowie Ersatzansprüche und Aufwendungen, die sich aus der vertraglichen Vereinbarung der Both-to-Blame-Collision-Clause ergeben.
(1) Große Haverei
Rz. 39
In der seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Seehandelsrechts am 25.4.2013 geltenden neuen Fassung des 5. Buches des HGB ist die Haverei für das Seehandelsrecht in den §§ 588 ff. HGB geregelt und beschränkt sich unter Fortfall der übrigen nach altem Recht geregelten Fälle allein auf die große Haverei. Für die Binnenschifffahrt ist die große Haverei in §§ 78 ff. BSchG geregelt. Für die Güterversicherung war auch vor der Seerechtsreform allein die große Haverei von Bedeutung.
Rz. 40
Die gesetzlichen Regelungen in §§ 588 ff. HGB und §§ 78 ff. BSchG sind dispositiv. Sie werden im Seerecht vertraglich ersetzt durch die York-Antwerp-Rules (YAR, letzte Fassung 2004) und im Binnenschifffahrtsrecht insbesondere durch die Rheinregeln der Internationalen Vereinigung des Rheinschifffahrtsregisters 1979 (IVR) (s.a. Elbevertrag, Bratislawa-Abkommen der Donau-Anrainerstaaten). Befindet sich das Schiff oder die Passagiere in einer Gefahrensituation und entscheidet sich der Kapitän daraufhin, dem Schiff oder der Ladung vorsätzlich Schaden zuzufügen, um Schiff, Mannschaft und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr zu retten (§ 588 HGB), dann handelt es sich um eine Große Havarie. Voraussetzung ist die ganze oder teilweise Rettung des Schiffs und der Ladung. Eine Gefahr nur für die Ladung oder nur für das Schiff ist kein Fall von Havarie-grosse, ein unbeladenes Schiff kann keine Havarie-grosse erleiden. Dabei reicht es nach Regel A der YAR aus, dass die Opfer und Aufwendungen vernünftigerweise erbracht werden, um die gemeinsam bedrohten Werte vor einer Gefahr zu bewahren. Der Kapitän braucht also nicht abzuwarten, bis eine unmittelbare Gefährdung eintritt. Den vorsätzlich herbeigeführten Schäden oder Opfern stehen die zum selben Zweck aufgewendeten Kosten gleich (Schleppkosten, Bergelohn, Nothafenkosten). Die Gefahr muss nicht objektiv gegeben sein. Es genügt, wenn der Kapitän ohne Verletzung von Sorgfaltspflichten und ohne übertriebene Ängstlichkeit vom Vorliegen einer Gefahr ausgehen kann. Die vorsätzlich vorgenommenen Maßnahmen des Kapitäns haben den Zweck, Schiff und Ladung vor einer gemeinsamen Gefahr zu bewahren (Regel A YAR). Havarie-grosse setzt deshalb voraus, dass etwas gerettet wird. Geht die Ladung total verloren, können Havarie-grosse-Aufwendungen nicht mehr verteilt werden.
Rz. 41
Eine Besonderheit gilt für die Aufopferung von versicherten Gütern. Darunter wird die absichtliche und freiwillige Preisgabe oder Beschädigung von Gütern verstanden (Überbordwerfen von Containern zur Wiedergewinnung der Stabilität, Löschwasserschäden nach einem Feuer an Bord). Aufopferungen werden bei der Vollen Deckung vom Versicherer vorab ersetzt, obwohl sie in Havarie-grosse verteilt werden (Regel XVI YAR). In der Eingeschränkten Deckung (Strandungsfalldeckung) stellen sie eine namentlich genannte Gefahr dar.
Rz. 42
Die Verteilung der Opfer und Kosten (au...