I. Wirtschaftliche Bedeutung der Güterversicherung
Rz. 23
Deutschland nimmt im Außenhandel, insbesondere im Export eine herausragende Stellung ein. Da Exporte in der Regel in Deutschland versichert werden, zählt der deutsche Güterversicherungsmarkt – gemessen am Prämienaufkommen – ebenfalls zur Weltspitze. Auch national ist die Güterversicherung die bedeutendste Sparte der Transportversicherung. Rechtlich handelt es sich hierbei um eine Sach- und nicht um eine Haftpflichtversicherung.
II. AVB der Güterversicherung
Rz. 24
Die gesetzlichen Rechtsquellen zur Güterversicherung sind in der Praxis weitgehend durch AVB abbedungen. Das gesetzliche Leitbild bleibt allerdings im Rahmen einer Inhaltskontrolle der AVB nach § 307 BGB von Bedeutung. Nach § 209 VVG finden die Vorschriften des VVG keine Anwendung auf die Seeversicherung. Die §§ 778 ff. HGB wurden per 1.1.2008 aufgehoben. Sie enthielten veraltetes, aus dem 19. Jahrhundert stammendes Recht, das durch die ADS 1919 und ADS Güterversicherung 1973 und schließlich durch die DTV-Güter 2000 völlig abgelöst worden ist. Die §§ 130–141 VVG betreffen die Binnentransportversicherung. Dieses Recht ist dispositiver Natur, das durch die ADS Güterversicherung 73/84/94 und/oder die DTV-Güter 2000 ersetzt worden ist. Beide Bedingungswerke werden für Transporte mit allen Verkehrsträgern angewendet, also nicht nur für Seetransporte oder im multimodalen Verkehr, sondern auch für reine Land-, Luft- sowie Beförderungen auf Flüssen und Binnengewässern. Die einschlägigen Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sind:
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DTV-Güterversicherungsbedingungen 2000/2008 (DTV-Güter 2000/2008) – Volle Deckung |
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DTV-Güterversicherungsbedingungen 2000/2011 (DTV-Güter 2000/2011) – Volle Deckung |
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DTV-Güterversicherungsbedingungen 2000/2008 (DTV-Güter 2000/2008) – Eingeschränkte Deckung |
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DTV-Güterversicherungsbedingungen 2000/2011 (DTV-Güter 2000/2011) – Eingeschränkte Deckung |
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Bestimmungen für die laufende Versicherung – DTV-Güter 2000/2011 |
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Besondere Bestimmungen für die Güterversicherung (ADS Güterversicherung 1973/84/94) i.V.m. Allgemeine Deutsche Seeversicherungs-Bedingungen 1919 (ADS 1919) |
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Bestimmungen für die laufende Versicherung (1984/1994) |
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Institute Cargo Clauses (ICC). |
Rz. 25
Die DTV-Güter 2000/2011 sollen als umfassendes Regelwerk auf mittlere und lange Frist die ADS Güterversicherung 73/84/94 und die über Ziff. 9.6.2 ergänzend geltenden ADS 1919 ersetzen. Sie unterscheiden sich von den DTV-Güter 2000/2008 nur durch eine "Sanktionsklausel" zu Irangeschäften, die in Ziff. 1.2 der DTV-Güter eingeführt wurde. Die DTV-Güter 2000/2011 gelten für See-, Luft- und Binnentransporte sowie für den multimodalen Verkehr. Konzipiert sind sie für die Versicherung einzelner Transporte, werden jedoch auch in laufende Versicherungen in Form von General- und Umsatzpolicen einbezogen (Bestimmungen für die laufende Versicherung). Die wesentlichen Bedingungen der DTV-Güter 2000/2011 werden nachfolgend jeweils unter Bezugnahme auf die entsprechenden Bestimmungen der ADS Güterversicherung 1973/84/94 behandelt.
III. DTV-Güter 2000/2011; ADS Güterversicherung 73/84/94 i.V.m. ADS 1919 – Volle Deckung
1. Interesse/Gegenstand der Versicherung (Ziff. 1 DTV-Güter 2000/2011; Ziff. 9.6.2 ADS Güterversicherung 73/84/94 i.V.m. § 1 ADS 1919)
a) Gegenstand der Versicherung/Versicherbares Interesse
Rz. 26
Nach Ziff. 1.1 DTV-Güter 2000/2011 muss jeder Versicherung ein versicherbares Interesse zugrunde liegen. Das ist auch für das VVG unbestritten. Gegenstand auch der Güterversicherung ist nicht die Sache selbst, sondern das Interesse daran, also die vermögensrechtliche Beziehung, die jemand zu den betreffenden Gütern hat. Im Schadenfall wird diese Beziehung nachteilig verändert. Ein Interesse hat derjenige, der ohne Versicherung den Schaden tragen müsste. Wareninteressent in diesem Sinne kann und wird oft der Eigentümer sein. Die DTV-Güter 2000/2011 stellen allerdings viel weitgehender auf "jedes in Geld schätzbare Interesse" ab. Dieses kann für den Eigentümer, den Pfandgläubiger, den Nutzungsberechtigten (Mieter, Pächter) sowie denjenigen bestehen, der die Gefahr trägt. Träger des wirtschaftlichen Interesses muss nicht immer der Versicherungsnehmer sein. Die Güterversicherung schützt oft allein den Kunden des Versicherungsnehmers. Bei einer Haus-zu-Haus-Versicherung, bei FOB-, CIF- oder CIP-Geschäften können sowohl der Verkäufer als auch der Käufer ein eigenes wirtschaftliches Interesse an einer schadenfreien Beförderung haben. Solange der Kaufpreis nicht bezahlt ist, haben sowohl der Verkäufer als auch der Käufer, auf ...