aa) Allgemeines/Leistungsfreiheit
Rz. 240
Nach Ziff. 7.3 DTV-VHV 2003/2011 ist der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer oder einer seiner Repräsentanten die in Ziff. 7 DTV-VHV 2003/2011 genannten oder sonstige vertraglich vereinbarte Obliegenheiten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, es sei denn, die Verletzung war weder für den Eintritt des Versicherungsfalls oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich. Der Versicherungsnehmer kann so auch im Falle einer Obliegenheitsverletzung den Beweis fehlender Kausalität führen und im Ergebnis zu einer Leistungspflicht des Versicherers gelangen. Dies entspricht der sog. Relevanzrechtsprechung des BGH, wonach auch bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung Leistungsfreiheit nicht gegeben ist, wenn sie tatsächlich für den Versicherer ohne Relevanz, also folgenlos, geblieben ist. Was die Nichtwahrung des Regresses anbetrifft, so ist dieser Obliegenheitsverstoß nur dann kausal, wenn der Regress erfolgreich gewesen wäre. Hätte nur ein Teilbetrag erzielt werden können, entfällt auch nur insoweit die Leistungspflicht des Versicherers.
Rz. 241
Leistungsfreiheit tritt ein, wenn der Versicherungsnehmer oder einer seiner Repräsentanten die Obliegenheitsverletzung vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen hat. Vorsatz erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein des Vorhandenseins der Verhaltensnorm, wobei bedingter Vorsatz ausreicht. Nicht erforderlich ist, dass der Versicherungsnehmer die DTV-VHV 2003/2011 genau gelesen und ihre Bedeutung erfasst hat. Ausreichend ist, dass er den wesentlichen Kern der Obliegenheiten erkannt hat. Deren Rechtsfolgen braucht er nicht zu kennen.
Rz. 242
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt wird und schon einfache, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben werden und dasjenige unbeachtet bleibt, das im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Bei der Verletzung einer Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit nach Eintritt des Versicherungsfalls bestimmt Ziff. 7.3.2 DTV-VHV 2003/2011, dass Leistungsfreiheit auch ohne gesonderte Mitteilung dieser Rechtsfolge an den Versicherungsnehmer eintritt.
bb) Haftung für Repräsentanten
Rz. 243
Der Versicherungsnehmer haftet nicht nur für eigenes Verschulden, sondern auch für das seiner Repräsentanten und Wissenserklärungsvertreter. Repräsentant ist, wer aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist, so dass er befugt ist, in einem nicht unbedeutenden Umfang selbstständig für den Versicherungsnehmer zu handeln. Weil die bloße Überlassung der Obhut nicht ausreicht, sind der Kapitän eines Schiffes, der Verfrachter, Frachtführer, Spediteur oder Lkw-Fahrer keine Repräsentanten. Repräsentant kann ein Prokurist sein, wenn er an die Stelle des Versicherungsnehmers aufgrund eines vertretungsähnlichen Verhältnisses getreten und befugt ist, in gewissem Umfang selbstständig zu handeln. Auch untergeordnete Hilfspersonen können Repräsentanten sein, wenn sie mit einer gewissen Selbstständigkeit Aufgaben des Versicherungsnehmers übernehmen.
Einstehen muss der Versicherungsnehmer auch für den sog. Wissenserklärungsvertreter. Wissenserklärungsvertreter ist, wer vom Versicherungsnehmer mit der Erfüllung von dessen Obliegenheiten und zur Abgabe von Erklärungen betraut worden ist. Ein Rechtsanwalt, der mit der Schadensabwicklung betraut ist und in diesem Zusammenhang Erklärungen für den Spediteur abgibt, ist Wissenserklärungsvertreter. Gleiches gilt für den Angestellten des Versicherungsnehmers, der derartige Aufgaben übernommen hat.
cc) Beweislast bei Obliegenheitsverletzungen
Rz. 244
Dass der Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung objektiv vorliegt, hat der Versicherer zu beweisen. Auch die Beweislast für die Vorsätzlichkeit der Obliegenheitsverletzung trägt der Versicherer. Dagegen hat der Versicherungsnehmer nachzuweisen, dass die Obliegenheitsverletzung mit einem geringeren Verschulden als grober Fahrlässigkeit begangen wurde. Der Versicherungsnehmer trägt auch die Beweislast für den sogenannten Kausalitätsgegenbeweis. Er muss beweisen, dass die Obliegenheitsverletzung weder Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellun...