Rz. 292
Wenngleich die steuerliche Erfassung der Gewinneinkünfte die Grundlage für die unterhaltsrechtliche Beurteilung ist, sind unterhaltsrechtlich einige Besonderheiten zu beachten. Der Grundsatz, dass das steuerliche und das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen nicht identisch sind, ist allgemein anerkannt. Das steuerpflichtige Einkommen entspricht also insoweit nicht dem tatsächlich zur Verfügung stehenden unterhaltspflichtigen Einkommen. So gewährt das Steuerrecht etwa mitunter Abschreibungen und Absetzungen, denen eine tatsächliche Vermögenseinbuße nicht (in dem Umfang) entspricht.
a) Ermittlungszeitraum
Rz. 293
Im Gegensatz etwa zum Arbeitnehmereinkommen sind die Gewinneinkünfte regelmäßig stark schwankend, so dass ein Geschäftsjahr allein nicht als Grundlage für die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit herangezogen werden kann. Vielmehr ist regelmäßig auf die letzten drei dem Unterhaltszeitraum vorangehenden Kalenderjahre abzustellen. Dies ordnen auch die meisten unterhaltsrechtlichen Leitlinien der OLG so an. Regelmäßig ist der Durchschnitt dieser drei Jahre Grundlage der Ermittlung. Dies kann jedoch anders sein, wenn eine Neueröffnungsphase, eine Anstiegsphase oder eine Aufgabephase vorliegt, da in einem solchen Fall die Tendenz der Gewinnermittlung mitzuberücksichtigen ist. Der BGH hat insoweit längere Ermittlungszeiträume ausdrücklich gebilligt. Daher kommt insb. bei unklarer Situation, bei starken Gewinnschwankungen, bei umfangreichen Abschreibungen oder aber bei Verdacht von Manipulationen eine fünfjährige Ermittlungsperiode in Betracht.
b) Steuerbilanz – Unterhaltsbilanz
Rz. 294
Ist das steuerliche mit dem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen nicht identisch, so bedarf die vorgelegte steuerliche Bilanz einer Überprüfung, inwieweit ihre Ansätze für das Unterhaltsrecht übernommen werden können oder zu korrigieren sind. Die Vorlage einer förmlichen "Unterhaltsbilanz" neben der Handels- oder Steuerbilanz hat sich nicht durchgesetzt.
Daher unterliegen die Einzelpositionen einer Bilanz bzw. einer Einnahme-/Überschussrechnung einer unterhaltsrechtlichen Prüfung, auf die sogleich im Einzelnen einzugehen ist. Die Auskunftspflicht des Unterhaltspflichtigen reicht so weit, dass der Pflichtige Einnahmen und Aufwendungen derart darstellen muss, dass die allein steuerlich beachtlichen Aufwendungen von solchen, die unterhaltsrechtlich von Bedeutung sind, abgegrenzt werden können.
Rz. 295
Teilweise wird angenommen, das steuerliche Einkommen könne wenigstens ein Mindesteinkommen als Grundlage für die Unterhaltsberechnung sein. Auch dem wird jedoch – zu Recht – widersprochen. So kann etwa allein die Herausnahme eines Gebäudes aus dem Betriebsvermögen zu einem hohen steuerlichen Gewinn führen, obwohl sich die unterhaltsrechtliche Bewertung nicht geändert hat. Dieser steuerliche Gewinn erhöht die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht. So bildet das steuerliche Einkommen lediglich den Anknüpfungspunkt für die unterhaltsrechtliche Berechnung.
c) Erwerbsobliegenheit
Rz. 296
Trotz dieser Art der Auswertung mahnt das unterhaltsrechtliche Schrifttum zu Recht, nicht nur die steuerlichen Daten auszuwerten, sondern auch zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige seiner Erwerbsobliegenheit nachgekommen ist, ob er also auch als Selbstständiger seine volle Arbeitskraft eingesetzt hat und die ihm mögliche betriebliche Tätigkeit in vollem Umfang entfaltet hat.
Rz. 297
Umgekehrt stellt sich aber auch die Frage überobligatorischer Tätigkeit, wenn ein Unterhaltspflichtiger als Selbstständiger seinen Gewinn durch eine Arbeitszeit von über 60 Stunden wöchentlich erzielt. Entgegen seiner Praxisrelevanz spielt dieses Argument nur selten in gerichtlichen Auseinandersetzungen eine Rolle.
Rz. 298
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