aa) Struktur von § 1570 BGB
Rz. 176
Der Unterhaltsanspruch ist nach § 1570 BGB dreigeteilt:
§ 1570 Abs. 1 Satz 1 BGB gewährt einen "Basisunterhalt" für einen festen Zeitraum von drei Jahren. Während dieses Zeitraumes besteht keine Erwerbsobliegenheit und somit auch keine Notwendigkeit der Fremdbetreuung. Damit kann auch eine bisher schon praktizierte eigene Berufstätigkeit mit Fremdbetreuung für diesen Zeitraum eingestellt werden.
§ 1570 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BGB (kindbezogene Verlängerung) sieht eine Verlängerung vor, soweit und solange dies der Billigkeit entspricht. Hierbei sind
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die Belange des Kindes und |
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die Möglichkeiten der Kindesbetreuung zu berücksichtigen. |
Nach Auffassung des BGH hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 1570 BGB den Vorrang der persönlichen Betreuung ggü. anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben. Die Obliegenheit zur Inanspruchnahme kindgerechter Fremdbetreuung findet erst dort ihre Grenze, wo diese Art der Betreuung nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar ist, was jedenfalls bei öffentlichen Betreuungseinrichtungen regelmäßig nicht der Fall ist.
§ 1570 Abs. 2 BGB (ehebezogene Verlängerung) regelt eine weitere Verlängerungsmöglichkeit nach Billigkeit unter Berücksichtigung
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der Gestaltung von Kindesbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie |
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der Dauer der Ehe. |
Nach der Gesetzesbegründung handelt es sich bei Letzterem nicht um einen eigenen Unterhaltsanspruch, sondern um einen "Annexanspruch" zum Anspruch nach Abs. 1, der einprägsam als "Treueunterhalt" bezeichnet wurde.
Trotz dieser Dreiteilung handelt es sich um einen einheitlichen Unterhaltsanspruch.
Rz. 177
Damit ist die Billigkeit im Einzelfall für die Verlängerung des Kindesbetreuungsunterhalts entscheidend. I.R. dieser Billigkeitsentscheidung entfalten jedoch die kindbezogenen Gründe das stärkste Gewicht im Rahmen der Billigkeitsabwägung und sind daher stets im Verhältnis zu elternbezogenen Gründen vorrangig zu prüfen. Da die Hinderung an einer Erwerbstätigkeit zu den anspruchsbegründenden Tatsachen gehört, trägt der Unterhaltsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast sowohl für die kind- als auch die ehebezogenen Verlängerungsgründe. Um eine Verlängerung des Anspruchs zu erreichen, ist konkreter Vortrag – etwa anhand eines Tagesablaufs – erforderlich. Nach Auffassung des BGH dürfen jedoch bei kindbezogenen Gründen keine überzogenen Anforderungen an den Vortrag gestellt werden.
bb) Möglichkeiten der Kindesbetreuung
Rz. 178
Zunächst sind die vorhandenen Möglichkeiten der Kindesbetreuung individuell auszuloten. Da der kindesbetreuende Elternteil für die Begründung einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über einen Zeitraum von drei Jahren hinaus beweispflichtig ist, muss er im Unterhaltsprozess vortragen und nachweisen, dass eine solche Möglichkeit der Kindesbetreuung nicht besteht oder mit dem Kindeswohl nicht im Einklang steht. Nachdem der BGH sein Altersphasenmodell aufgegeben hat, ist die Möglichkeit des kindesbetreuenden Elternteils, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ab Beginn des vierten Lebensjahres des Kindes in jedem Einzelfall zu prüfen.
Rz. 179
Von einer Möglichkeit der Fremdbetreuung ist auszugehen, wenn die Fremdbetreuung tatsächlich existiert, zumutbar und verlässlich ist und mit dem Kindeswohl in Einklang steht.
Rz. 180
Bei Statuierung einer Erwerbsobliegenheit muss jedoch die Möglichkeit der Fremdbetreuung auch in den Ferienzeiten und bei Krankheit bestehen und Gewähr für Stetigkeit und einen festen zeitlichen Rahmen bieten, um verlässlich zu sein. Fremdbetreuungsangebote können sich – u.U. z.B. mit dem Wechsel in die Grundschule – auch wieder verschlechtern.
Rz. 181
Nach der Rspr. sind alle Arten der Kindesbetreuung in öffentlichen Kindergärten, Kinderhorten, Kindertagesstätten und bei Tageseltern als zumutbare Fremdbetreuung anzusehen. Das gilt auch für Ganztagsschulen.
Rz. 182
I.R.d. Zumutbarkeit ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob auch das Angebot des geschiedenen Ehegatten, die "Fremdbetreuung" zu übernehmen oder durch seine Verwandten übernehmen zu lassen, ...