aa) Präambel
Rz. 414
Der 15. Deutsche Familiengerichtstag gibt folgende Empfehlung:
Zitat
"Die Vertragsgrundlagen in Bezug auf die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse (jeweilige berufliche Tätigkeit des Ehegatten, Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes, Führung einer kinderlosen Ehe) sind im Ehevertrag so konkret wie möglich festzuhalten."
Rz. 415
Nach Auffassung des BGH hat der Richter später i.R.d. Wirksamkeitskontrolle auf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss abzustellen und eine Gesamtschau der Verhältnisse vorzunehmen. Für eine solche Gesamtabwägung sind insb. die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie der geplante oder bereits verwirklichte Zuschnitt der Ehe und subjektiv die von den Ehegatten mit dem Vertrag verfolgten Zwecke und sonstigen Beweggründe bedeutsam.
Hinweis
Da der Richter die individuellen Lebensverhältnisse sowie den geplanten oder verwirklichten Zuschnitt der Ehe und Gründe/Motive in seiner späteren Wirksamkeitskontrolle berücksichtigen muss, sollten auch der Anwalt und der Notar für ihre Beurteilung des Vertrages diese Gesichtspunkte erfragen. Nur dann sind sie in der Lage, einen der Ehekonstellation entsprechenden Vertrag vorzuschlagen.
Die Ausgangssituation der Vertragspartner sollte im Regelfall in der Präambel zur Urkunde festgehalten werden. Dies dokumentiert, dass die Ehegatten übereinstimmend von den entsprechenden Angaben ausgingen. In dieser Präambel könnte auch die künftige eheliche Rollenverteilung angesprochen werden, die wieder zunehmend Bedeutung erlangt, jedenfalls soweit einseitige Abweichungen von dieser Rollenverteilung nunmehr dazu führen können, dass auch der andere Teil die entsprechende (nach-) eheliche Solidarität nicht mehr schuldet. Dies könnte eine Anpassung bei einer einseitigen Abweichung ganz ausschließen.
Rz. 416
Allerdings darf auch die Gefahr einer erweiterten Präambel nicht übersehen werden: Wenn sich die Verhältnisse anders entwickeln, als in der Präambel angenommen, so werden sich Vertragspartner oder Gerichte darauf berufen, um auf diese Weise eine Störung der Geschäftsgrundlage zu begründen. Außerdem ist die Euphorie zu Beginn der Ehe oft so groß, dass die Vertragsparteien zu unrealistischen Lebensentwürfen neigen, die der Notar aufzeigen sollte.
Hinweis
Die Präambel mit der Darlegung der Vorstellungen der Ehegatten über eheliche Rollenverteilung sowie wichtigen Eckdaten zur wirtschaftlichen Situation sollte im Ehevertrag der Regelfall sein.
bb) Teilunwirksamkeit, Auffanglinie und salvatorische Klausel
Rz. 417
Bei der geschilderten Prüfungsmethodik des BGH kann eine Teilnichtigkeit nur angenommen werden, wenn zwar eine Einzelklausel nichtig ist, der Rest des Vertrages aber Bestand haben kann. In einem solchen Fall hat die salvatorische Klausel ihren Platz und kann die Nichtigkeit auf die beanstandete Klausel beschränken. Wenn jedoch in der Gesamtabwägung die Summe aller Klauseln das Verdikt der Sittenwidrigkeit des Gesamtvertrages bedingt, dann ist er damit in allen seinen Teilen sittenwidrig und auch eine salvatorische Klausel hilft nicht.
Während einerseits die Wohltat der Kompensation eine an sich nicht zulässige Klausel haltbar macht, würde andererseits eine eigentlich unbedenkliche Klausel wie die Vereinbarung der Gütertrennung durch zusätzliche Einschränkungen und Belastungen infiziert, wenn die Gesamtschau zur Sittenwidrigkeit führt.
Hinweis
Es ist davon abzuraten, Klauseln in einer Art "Reduktionskaskade" als "Auffanglinien" zu verwenden, so dass zunächst die schlimmste Rechtsfolge benannt wird und dann jeweils weniger einschneidende. Dies hätte zur Folge, dass sich der Richter die Linie aussuchen müsste, die gerade noch hält. Im Einzelfall kann es aber angemessen sein, eine alternative Rechtsfolge zu benennen, wenn ein Gericht sonst von der Sittenwidrigkeit ausgehen müsste. Bei unsicheren Grenzlinien sollten auch die Schwierigkeiten der Vertragsgestaltung in die Wertung einbezogen werden.
Rz. 418
Da eine salvatorische Klausel jedenfalls die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen einer Gesamtunwirksamkeit des Vertrages regeln kann, ist eine solche Klausel weiterhin empfehlenswert. Sie kann Bedeutung auch bei der Ausübungskontrolle haben, in deren Rahmen lediglich eine einzelne Regelung beanstandet wird. Sie zeigt nämlich, dass die Vertragsparteien trotz Beanstandung einer Klausel und Änderung einer Rechtsfolge am übrigen Vertragsinhalt unverändert festhalten wollen. Allerdings bezieht sie sich dann nicht auf eine Teilnichtigkeit, sondern auf die Teilanwendbarkeit. In einem solchen Fall kann sie für einen Richter i.R.d. Ausübungskontrolle durchaus ein wertvoller Hinweis...