Rz. 85
Ließ sich schon bei der Schilderung des Ertragswertverfahrens zeigen, dass über die Bewertungsgrundsätze ganz unterschiedliche Meinungen sowohl hinsichtlich der anzuwendenden Methode als auch innerhalb einer Methode hinsichtlich der durchzuführenden Bewertungsschritte bestehen, so ist es umso wichtiger, dass sich allgemeine Standards für die Unternehmensbewertung entwickeln, die auch bei der ehevertraglichen Gestaltung als allgemein zugänglich und vernünftig in Bezug genommen werden können. Als ein solcher Standard haben sich die vom Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer verabschiedeten "Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1)" etabliert.
Rz. 86
Diese werden periodisch überprüft und verändert und sind zuletzt am 2.4.2008 wieder neu beschlossen worden. Dieser Standard ist zur Bewertung von Unternehmen durch Wirtschaftsprüfer gebildet worden. Er wird ergänzt durch den IDW Standard S 13: Besonderheiten bei der Unternehmensbewertung zur Bestimmung von Ansprüchen im Familien- und Erbrecht. Ferner gibt es gesonderte Hinweise zur Bewertung von kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) aus dem Jahre 2014.
Rz. 87
Der IDW-Standard ermittelt den Zukunftserfolgswert des Unternehmens mit der Untergrenze des Liquidationswertes und stellt hierfür mit dem Ertragswertverfahren und dem Discounted-Cash-Flow-Verfahren zwei Methoden zur Verfügung. Der Substanzwert hat nach diesem Standard keine eigenständige Bedeutung mehr. In einem allgemeinen Teil erläutert der Standard zunächst Grundsätze für beide Bewertungsmethoden.
Wie bereits bei der Ertragswertmethode als der in der Rspr. gebräuchlichsten dargelegt, basiert die Unternehmensbewertung nach Auffassung des IDW zunächst auf einer Vergangenheitsanalyse. Daraus ist eine Zukunftsprognose zu entwickeln, die häufig nach einem Zweiphasenmodell verläuft. In einer näheren ersten Phase können auf der Grundlage der ermittelten Datenbasis die verschiedenen Einflussfaktoren einzeln veranschlagt werden. Diese Phase dauert zumeist bis etwa fünf Jahre nach dem Stichtag. In der zweiten Phase werden die Daten dann – ausgehend von den Ergebnissen der ersten Phase – als konstant oder konstant wachsend angesehen. Diese Ergebnisse werden dann einer zusätzlichen Plausibilitätsprüfung unterzogen.
Rz. 88
Der IDW-Standard sieht als gleichartige Alternativinvestition, mit der zu vergleichen ist, die Renditen eines Bündels von am Kapitalmarkt notierten Unternehmensanteilen an (Aktienportfolio) und nimmt Korrekturen hinsichtlich unterschiedlicher Steuerbelastungen vor.
Der IDW-Standard stellt sodann mit der Ertragswertmethode und dem Discounted-Cash-Flow-Verfahren zwei gleichrangige Bewertungsmethoden zur Verfügung, die zu gleichen Unternehmenswerten führen müssten.
aa) Ertragswertmethode
Rz. 89
Die Ertragswertmethode (vgl. dazu Rdn 72 ff.) nach IDW S 1 ermittelt den Unternehmenswert durch Diskontierung der den Unternehmenseignern zukünftig zufließenden finanziellen Überschüsse, die aus den künftigen handelsrechtlichen Erfolgen (Ertragsüberschussrechnung) abgeleitet werden. Der IDW-Standard trifft Detailaussagen zur periodengerechten Korrektur einzelner Bilanzansätze, zu den Auswirkungen der künftigen Finanzplanung im Hinblick auf Zinskosten und zur Ermittlung des richtigen Kapitalisierungszinssatzes.
bb) Discounted-Cash-Flow-Verfahren (DCF-Verfahren)
Rz. 90
Das DCF-Verfahren bestimmt den Unternehmenswert durch Diskontierung von Cash-Flow, d.h. es wird anstelle des Ertragsüberschusses auf die zukünftigen Einnahmeüberschüsse abgestellt, die auf den Barwert abzuzinsen sind. Zu bewerten ist der Free Cash-Flow, d.h. die entnehmbaren Überschüsse.
Diese Methode, welche nicht zuletzt auf dem Einfluss des Shareholder-Value-Ansatzes beruht, entspricht internationalen Tendenzen und gewinnt daher auch in Deutschland immer mehr an Boden. Sie hat erste gesetzliche Anerkennung gefunden, indem § 297 Abs. 1 Satz 1 HGB im Konzernabschluss börsennotierter Mutterunternehmen eine Kapitalflussrechnung fordert. Der BGH schließt nicht aus, nach den konkreten Umständen des Einzelfalls den Unternehmenswert nach dem DCF-Verfahren zu bestimmen.
Rz. 91
Der Vorteil des DCF-Verfahrens ist, dass nach Ermittlung der zu erwartenden Zahlungsströme eine Bewertung vorliegt, die nicht von periodenfremden Bilanzierungsverfahren, Bilanzwahlrechten und anderen sonst zu korrigierenden außerordentlichen Faktoren beeinflusst ist.
Da der freie Cash-Flow diejenige Summe ist, die allen Kapitalgebern zur Verfügung steht, muss für die Unternehmensbewertung eine Methode gefunden werden, um die für das Eigenkapital zur Verfügung stehenden Zahlun...