Rz. 383
Der Grundsatz, dass Ehegatten auch nach der Scheidung Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten haben, schließt nach Auffassung des BGH die Möglichkeit der Ehegatten nicht aus, ehevertraglich durch einvernehmliche und angemessene Regelung etwas anderes zu vereinbaren. Die vom BVerfG ausgesprochene Halbteilung beziehe sich ohnehin nur auf die Unterhaltsbeiträge, welche die Ehegatten aus Erwerbseinkommen bzw. Familienarbeit erbringen.
Rz. 384
Der BGH betont, dass Erwerbstätigkeit und Familienarbeit grds. nur dann als gleichwertig behandelt werden, "wenn die Ehegatten nichts anderes vereinbart haben", und spricht sich damit gegen einen zwingenden Halbteilungsgrundsatz aus. Damit erkennt der BGH an, dass sich die Rspr. des BVerfG nur auf die gesetzliche Rechtslage bezieht, die Parteien aber vertraglich davon abweichen können. Der BGH betont, er stehe mit seiner Rspr. auf dem Boden der Rspr. des BVerfG zur Teilhabegerechtigkeit, denn der formal geregelte Zugewinn greife über die Grundlagen der Teilhabe weit hinaus.
Rz. 385
Zusätzlich erkennt der BGH die Autonomie der Ehegatten bei der Gestaltung ihrer Ehe an, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen können die Ehegatten die eheliche Rollenverteilung abweichend vom Gesetz gestalten; daraus folgt dann zwingend die Abänderungsbefugnis für die gesetzlich angeordneten Scheidungsfolgen. Zum anderen hat der BGH aber auch auf die Frage eine deutliche Antwort gegeben, warum auch diejenigen Ehegatten abweichende Regelungen treffen können, die eine Rollenverteilung gewählt haben, von der auch das Gesetz bei der Bestimmung der Scheidungsfolgen ausgeht:
Zitat
"Die Ehegatten können, auch wenn die Ehe dem gesetzlichen Leitbild entspricht, den wirtschaftlichen Wert von Erwerbseinkünften und Familienarbeit unterschiedlich gewichten."
Damit können auch in der sog. Einverdienerehe bei Diskrepanzfällen Mittelwege beschritten werden, die fern von einer völligen Entsolidarisierung sind, aber nicht den nach dem Gesetz eheangemessenen Unterhalt erreichen.
An seiner Einschätzung, dass der Güterstand im Rahmen der Kernbereichslehre nur nachrangige Bedeutung habe, hält der BGH fest: Der Zugewinnausgleich ist grds. kernbereichsfern, so dass eine wirksam vereinbarte Gütertrennung oder sonstige wirksame Modifikationen des gesetzlichen Güterstands nur unter engsten Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich sind. Der BGH sieht sich dabei auch auf dem Boden der Rspr. des BVerfG zur Teilhabegerechtigkeit, da der formal angeordnete Zugewinn überschießend sei und weit über den Teilhabeanspruch hinausgreife. Diesbezüglich ist eine Änderung der Rspr. des BGH nicht mehr zu erwarten.