I. Voraussetzungen eines (nachehelichen) Unterhaltsanspruchs
1. Unterhaltstatbestand
Rz. 171
Der Ehegattenunterhalt unterteilt sich in den Familienunterhalt während der Familieneinheit (§§ 1360, 1360a BGB), den Trennungsunterhalt nach Auflösung der Familieneinheit, aber während noch bestehender Ehe (§ 1361 BGB) und den nachehelichen Unterhalt (§§ 1569 ff. BGB). Nachfolgend wird nur der nacheheliche Unterhalt dargestellt.
Rz. 172
I.R.d. nachehelichen Unterhalts ist jeder Ehegatte nach dem Grundsatz des § 1569 BGB für sich selbst verantwortlich. Als Nachwirkung der Ehe hat das Gesetz jedoch bestimmte Tatbestände benannt, bei denen eine Mitverantwortung des anderen Ehegatten besteht. Ein Unterhaltsanspruch besteht also nur jeweils bei Vorliegen eines der gesetzlichen Unterhaltstatbestände.
Rz. 173
Diese Unterhaltstatbestände stellen auf verschiedene Einsatzzeitpunkte ab, so dass Unterhalt nur zu gewähren ist, wenn der Tatbestand zu diesem Zeitpunkt erfüllt ist. Während der erste Einsatzzeitpunkt zumeist die Rechtskraft der Scheidung ist, knüpfen die anderen Einsatzzeitpunkte an das Ende des vorhergehenden Unterhaltstatbestandes an. Es muss somit eine ununterbrochene Unterhaltskette vorliegen. Nach einer Unterbrechung entsteht ein Unterhaltsanspruch grds. nicht mehr.
Rz. 174
Neben dem nachfolgend geschilderten Anspruchsgrund ist ferner zu prüfen, ob Bedarf, Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit gegeben sind und Tatbestände der Unterhaltsbegrenzung eingreifen.
Rz. 175
Mit der am 1.1.2008 in Kraft getretenen Reform des Unterhaltsrechts hat der Gesetzgeber den Grundsatz der Eigenverantwortung – als Gegenpol zur nachehelichen Solidarität – gestärkt und zu diesem Zweck in § 1569 BGB die Obliegenheit des geschiedenen Ehegatten klargestellt, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Der Grundsatz der Eigenverantwortung ist bei der Auslegung der nachfolgenden Unterhaltstatbestände zu berücksichtigen. Ein Unterhaltsanspruch soll nicht die Regel, sondern gem. § 1569 Satz 2 "nur" die Ausnahme sein und in Betracht kommen, wenn einer der folgenden Unterhaltstatbestände vorliegt.
Für den Kautelarjuristen hat § 1569 BGB insofern Bedeutung, als dass ein Vertrag, der sich ausgewogen um die Umsetzung dieses Programmsatzes bemüht, kaum dem Verdikt der Sittenwidrigkeit unterfallen dürfte.
a) Kindesbetreuungsunterhalt (§ 1570 BGB)
aa) Struktur von § 1570 BGB
Rz. 176
Der Unterhaltsanspruch ist nach § 1570 BGB dreigeteilt:
§ 1570 Abs. 1 Satz 1 BGB gewährt einen "Basisunterhalt" für einen festen Zeitraum von drei Jahren. Während dieses Zeitraumes besteht keine Erwerbsobliegenheit und somit auch keine Notwendigkeit der Fremdbetreuung. Damit kann auch eine bisher schon praktizierte eigene Berufstätigkeit mit Fremdbetreuung für diesen Zeitraum eingestellt werden.
§ 1570 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BGB (kindbezogene Verlängerung) sieht eine Verlängerung vor, soweit und solange dies der Billigkeit entspricht. Hierbei sind
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die Belange des Kindes und |
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die Möglichkeiten der Kindesbetreuung zu berücksichtigen. |
Nach Auffassung des BGH hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 1570 BGB den Vorrang der persönlichen Betreuung ggü. anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben. Die Obliegenheit zur Inanspruchnahme kindgerechter Fremdbetreuung findet erst dort ihre Grenze, wo diese Art der Betreuung nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar ist, was jedenfalls bei öffentlichen Betreuungseinrichtungen regelmäßig nicht der Fall ist.
§ 1570 Abs. 2 BGB (ehebezogene Verlängerung) regelt eine weitere Verlängerungsmöglichkeit nach Billigkeit unter Berücksichtigung
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der Gestaltung von Kindesbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie |
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der Dauer der Ehe. |
Nach der Gesetzesbegründung handelt es sich bei Letzterem nicht um einen eigenen Unterhaltsanspruch, sondern um einen "Annexanspruch" zum Anspruch nach Abs. 1, der einprägsam als "Treueunterhalt" bezeichnet wurde.
Trotz dieser Dreiteilung handelt es sich um einen einheitlichen Unterhaltsanspruch.
Rz. 177
Damit ist die Billigkeit im Einzelfall für die Verlängerung des Kindesbetreuungsunterhalts entscheidend. I.R. dieser Billigkeitsentscheidung entfalten jedoch die kindbezogenen Gründe das stärkste Gewicht im Rahmen der Billigkeitsabwägung und sind daher stets im Verhältnis zu elternbezogenen Gründen vorrangig zu prüfen. Da die Hinderung an einer Erwerbstätigkeit zu den anspruchsbegründenden Tatsachen gehört, trägt der Unterhaltsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast sowohl für die kind- als auch die ehebezogenen Verlängerungsgründe.