Rz. 261
Das Vermögen des Unterhaltsberechtigten kann seine Bedürftigkeit mindern. Hierbei ist zwischen dem Vermögensstamm und den Vermögenserträgen zu differenzieren. Der Bedürftige muss grds. nach § 1577 Abs. 1 BGB auch sein Vermögen verwerten. Er muss jedoch seinen Vermögensstamm nach § 1577 Abs. 3 BGB nicht verwerten, sofern die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. Vermögenserträge hingegen sind einzusetzen.
Rz. 262
Reale Vermögenserträge sind nach Abzug von Steuern und Werbungskosten stets zu berücksichtigen, und zwar unabhängig von der Herkunft des Vermögens. Daher sind auch Erträge aus Anfangsvermögen oder aus im Zugewinnausgleich übertragenem Vermögen anzusetzen; allerdings soll dies dann nicht der Billigkeit entsprechen, wenn auch der andere Ehegatte einen entsprechend großen Vermögensteil erhalten hat. Zu den Erträgen gehört auch der Wohnvorteil (z.B. beim mietfreien Wohnen im Eigenheim).
Rz. 263
Es wird allgemein eine Obliegenheit des Unterhaltsberechtigten angenommen, sein Vermögen so ertragbringend wie möglich anzulegen. Dies gilt auch für Vermögen, welches der Berechtigte durch Zuwendungen Dritter erhalten hat, jedenfalls dann, wenn das Vermögen keiner Zweckbindung unterliegt und kein Rückforderungsrecht besteht. Wird es ohne ein solches Recht zurückübertragen, sind fiktive Einkünfte anzusetzen.
Bei der Frage, welche Folgerungen aus vorstehender Obliegenheit zu ziehen sind, müssen die Interessen aller Beteiligten angemessen gegeneinander abgewogen sein. Es besteht sogar eine Obliegenheit zur Umschichtung des Vermögens, wenn dieses nicht ertragbringend (genug) angelegt ist. Allerdings ist dem Vermögensinhaber ein Ermessensspielraum zuzugestehen. Dem Berechtigten ist sowohl eine angemessene Überlegungsfrist als auch eine Rücklage für Notzeiten zuzubilligen. Bevorzugt er sichere und herkömmliche Anlagen ggü. potenziell ertrag-, aber auch risikoreicheren Anlageformen, so ist dies nicht zu beanstanden. Kommt der Berechtigte seiner Obliegenheit zur Vermögensumschichtung nicht nach, so muss er sich die durch die Vermögensumschichtung erreichbaren Einnahmen auf seinen Anspruch anrechnen lassen.
Rz. 264
Eine Ausnahme hinsichtlich der Pflicht zur Verwertung des Vermögens gilt bei dessen Unwirtschaftlichkeit gem. § 1577 Abs. 3 BGB, die dann anzunehmen ist, wenn auf längere Sicht der Ertrag aus dem Vermögensstamm den Unterhalt besser gewährleistet als der Verkaufserlös und dessen Ertrag. Eine Obliegenheit zur Verwertung des Vermögensstamms entfällt auch dann, wenn diese aufgrund der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig und daher unzumutbar ist. I.R.d. Billigkeitserwägungen sind u.a. das Alter des Bedürftigen, das Vorhandensein weiterer Vermögenswerte, eine kurze Dauer der Unterhaltsberechtigung und die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen.