Rz. 273
Ein Unterhaltspflichtiger darf seinen Arbeitsplatz zwar nicht ohne hinreichenden Grund aufgeben. Allerdings prüft die Rspr. nur, ob die Verschlechterung der Situation verantwortungslos, mindestens aber leichtfertig herbeigeführt worden ist.
Sofern sich ein Erwerbstätiger selbstständig macht und hohe Anfangsverluste hat, kann die Verminderung der Leistungsfähigkeit durchaus beachtlich sein, insb. dann, wenn die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit der typischen beruflichen Entwicklung entspricht (z.B. ein angestellter Oberarzt eröffnet eine eigene Praxis) und wenn nach den Umständen mit einer dauerhaften Sicherung der Einkommensverhältnisse in der Selbstständigkeit zu rechnen ist. Dabei ist auch eine unverschuldete Fehleinschätzung durch den Unterhaltspflichtigen hinzunehmen. Besondere Bedeutung ist dem Umstand beizumessen, dass die Zukunftsplanung der Ehegatten vor der Trennung bereits die Selbstständigkeit vorgesehen hatte.
Rz. 274
Unbeachtlich ist hingegen eine Flucht des Pflichtigen in eine seiner Qualifikation nicht entsprechende Selbstständigkeit. In einem solchen Fall ist fiktiv das frühere Einkommen zugrunde zu legen. Zur Beurteilung ist abzuwägen, ob das Interesse des Pflichtigen an der beruflichen Veränderung die in Rede stehenden Auswirkungen auf die ehelichen Lebensverhältnisse rechtfertigt oder ob dem Interesse des Berechtigten an der Beibehaltung des bisherigen Lebensstandards das größere Gewicht zukommt.
Rz. 275
Auch wenn die Entscheidung für die Selbstständigkeit beachtlich ist, so wird dem Pflichtigen allerdings angesonnen, für eine Übergangszeit im Interesse des Berechtigten durch Bildung von Rücklagen oder Aufnahme von Krediten (insbesondere in der COVID 19-Pandemie) den Einkommensrückgang zu überbrücken. Wer sich selbstständig macht, muss ferner auch dafür sorgen, dass er bei unvorhergesehenen Krankheitsfällen leistungsfähig bleibt.