Rz. 397
Eine Benachteiligung als solche wird noch von der Vertragsfreiheit der Parteien gedeckt. Der BGH überprüft jedoch auf der Grundlage der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Vertragsfreiheit, ob Imparität zu der Benachteiligung geführt hat; diese subjektiven Aspekte erlangen zunehmend Bedeutung und entscheiden verstärkt, ob der Ehevertrag Bestand hat oder nicht. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist auf subjektiver Ebene unter Berücksichtigung aller subjektiver Momente einschließlich der konkreten Gestaltung des Beurkundungsverfahrens abzuwägen, ob die Sittenwidrigkeit auf objektiver Ebene Ausdruck einer Imparität der Ehegatten bei Vertragsschluss ist.
Eine solche subjektive Imparität kann insb. auf der Ausnutzung einer Zwangslage, auf sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder auf intellektueller Überlegenheit beruhen. Der BGH prüft daher bei der Wirksamkeitskontrolle stets die subjektive Unterlegenheit. Zur Darlegungslast in Bezug auf die subjektive Unterlegenheit hat der BGH grundlegend ausgeführt, dass derjenige Ehegatte, der sich auf die Sittenwidrigkeit beruft, diese auch beweisen muss. Der BGH will aus einem groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung noch nicht eine tatsächliche Vermutung herleiten, dass eine subjektive Unterlegenheit vorliegt, sondern erachtet sie nur als Indiz.
Ein weiterer Gesichtspunkt bei der Prüfung der subjektiven Aspekte ist die Frage, wie die Urkunde zustande gekommen ist, d.h. ob eine "Überrumpelungssituation" vorlag. Maßgeblich für diese Frage ist, ob beide Ehegatten in den Beurkundungsablauf eingebunden waren und ausreichend Vorlauf und Einfluss auf die Vertragsgestaltung hatten, einen Vertragsentwurf im Vorfeld erhalten haben und etwa auch, ob ein Kind im Säuglingsalter beim Notartermin anwesend war.
Rz. 398
Den Abschluss des Ehevertrages kurze Zeit vor der Hochzeit oder gar am Tag der Hochzeit diskutiert der BGH nicht weiter, geht also davon aus, dass dies für sich allein keine subjektive Unterlegenheit begründe.
Nach Auffassung des BGH vermag eine Schwangerschaft der Ehefrau bei Abschluss des Ehevertrages für sich allein zwar noch nicht die Sittenwidrigkeit zu begründen, sie indiziert aber eine ungleiche Verhandlungsposition und damit eine Imparität bei Vertragsabschluss. Neben der subjektiven Bedeutung hat die Schwangerschaft v.a. – jedenfalls in der Praxis derzeit noch – häufig auch zur Folge, dass schon bei Ehevertragsabschluss manifest ist, dass ehebedingte Nachteile eintreten werden.
Das Ansinnen eines Ehegatten, eine Ehe nur unter der Bedingung eines Ehevertrages eingehen zu wollen, begründet für sich genommen auch bei Vorliegen eines Einkommens- und Vermögensgefälles für den anderen Ehegatten in der Regel noch keine Zwangslage, aus der ohne Weiteres auf eine gestörte Vertragsparität geschlossen werden kann. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn der mit dem Verlangen nach dem Abschluss eines Ehevertrages konfrontierte Ehegatte in besonderem Maße auf die Eheschließung angewiesen ist, so etwa bei einem ausländischen Vertragspartner mit Blick auf das Erfordernis einer Eheschließung angesichts drohender ausländerrechtlicher Maßnahmen.
Hinweis
Der BGH sieht subjektive Imparität der Vertragsteile bei Vertragsschluss (z.B. bei Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit) als notwendige Voraussetzung einer Nichtigkeit des Ehevertrages gem. § 138 BGB an.