1. Anfangsvermögen
a) Begriff des Anfangsvermögens
Rz. 28
Anfangsvermögen ist nach § 1374 Abs. 1 BGB dasjenige Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten beim Eintritt des Güterstandes gehört. Auch das Anfangsvermögen ist nicht etwa eine Vermögensmasse, sondern eine bloße rechnerische Größe. Zum Anfangsvermögen gehören alle dem Ehegatten zum Stichtag zustehenden rechtlich geschützten Positionen mit wirtschaftlichem (positivem oder negativem) Wert; neben den Sachen des Ehegatten umfasst dies also insb. alle objektiv bewertbaren Rechte, u.a. auch geschützte Anwartschaften mit ihrem gegenwärtigen Vermögenswert sowie die ihnen vergleichbaren Rechtsstellungen, die einen Anspruch auf künftige Leistung gewähren, sofern diese nicht mehr von einer Gegenleistung abhängig und nach wirtschaftlichen Maßstäben bewertbar sind.
Rz. 29
Das Anfangsvermögen kann seit der Reform des Zugewinnausgleichs auch negativ sein (§ 1374 Abs. 1 Halbs. 2, Abs. 3 BGB). Verbindlichkeiten können somit auch über die Höhe des Vermögens hinaus abgezogen werden, so dass sich rechnerisch ein negatives Anfangsvermögen ergibt mit der Folge, dass die Schuldentilgung während der Ehe als Zugewinn kraft Gesetzes zu begreifen ist. Nachdem § 1374 Abs. 3 BGB die beiden vorhergehenden Absätze verklammert, steht nach wohl h.M. einer Saldierung des Anfangsvermögens nach Abs. 1 und Abs. 2 des § 1374 BGB nun nichts mehr im Wege.
Die Möglichkeit des negativen Anfangsvermögens muss nicht ehevertraglich vereinbart werden. Da aber nach § 1377 Abs. 3 BGB ein Anfangsvermögen von 0 vermutet wird, sollte in den Fällen des überschuldeten Anfangsvermögens möglichst ein Vermögensverzeichnis erstellt werden, um später die Schuldentilgung als Zugewinn nachweisen zu können.
Einen negativen Zugewinn gibt es jedoch nicht, denn nach der gesetzgeberischen Konzeption soll ein Ehegatte nicht für die Verbindlichkeiten des anderen haften.
Rz. 30
Der Zugewinnausgleich soll dazu dienen, den anderen Ehegatten an der gemeinsamen Lebensleistung zu beteiligen. Das Gesetz sieht daher den Erwerb von Vermögensgegenständen, der nur auf eine besondere Nähebeziehung zum Veräußerer gegründet ist, als privilegiert an und nimmt solche Vermögensgegenstände vom Zugewinn aus. Das BGB ordnet folglich in § 1374 Abs. 2 BGB an, dass Erwerbe
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von Todes wegen, |
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mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, |
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durch Schenkung oder |
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als Ausstattung |
dem Anfangsvermögen des erwerbenden Ehegatten hinzuzurechnen sind.
Rz. 31
§ 1374 Abs. 2 BGB ist – aus Gründen der Rechtssicherheit und im Hinblick auf dessen engen Normzweck – nicht analogiefähig. Daher ist Vorsicht geboten, wenn aus steuerlichen Gründen ein Entgelt vereinbart und die Übertragung als vollentgeltlich dargestellt wird. Denn bei Vollentgeltlichkeit greift § 1374 Abs. 2 BGB nicht ein, wohl aber dann, wenn zwar das Rechtskleid eines entgeltlichen Geschäftes gewählt war, dieses aber zu einem Vorzugspreis mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht abgeschlossen wurde und es sich daher nicht um ein normales Austauschgeschäft handelt.
Der BGH hat zwar eine privilegierte Zuwendung anerkannt, obwohl aus steuerlichen Gründen die Rechtsform des Kaufes gewählt worden war, aber in einem Fall, in dem nie Kaufpreisraten flossen. In einem anderen Urteil legte er jedoch ganz klar dar, dass dann, wenn der Vertrag aus steuerlichen Gründen als Kauf wirksam sein müsse, keine privilegierte Zuwendung nach § 1374 Abs. 2 BGB mehr vorliege. Diese Sachverhaltsgestaltung kann bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen bedeutsam sein, wenn diese Übertragung etwa aus steuerlichen Gründen entgeltlich erfolgen soll.
Hinweis
Daher sollte in einem solchen Fall zur Sicherheit nach Rücksprache mit dem steuerlichen Berater ggf. ehevertraglich klargestellt werden, inwieweit trotz eines entgeltlichen Vertrages ein privilegierter Erwerb vorliegt.
Rz. 32
Schenkungen i.S.d. § 1374 Abs. 2 BGB sind nur Schenkungen durch Dritte, nicht aber Schenkungen unter Ehegatten selbst, so dass diese nicht in das Anfangsvermögen fallen, sondern Zugewinn darstellen.
§ 1374 Abs. 2 BGB greift nicht ein bei unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten.
Für Zuwendungen von Schwiegereltern hat der BGH seine Rspr. gewandelt. Er geht nunmehr von einer Schenkung an das Schwiegerkind aus, die bei diesem dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen sei. Rückforderungsansprüche sind damit – unabhängig vom Zugewinn der Ehegatten – zwischen Schwiegereltern und Schwiegerkind abzuwickeln. Der BGH neutralisiert die Ansprüche für den Zugewinnausgleich, indem er nur den um den Rückforderungswert verminderten Schenkungswert in das Anfangsvermögen einstellt, was zu einer nachträglichen Beeinflussung des Anfangsvermögens führt und daher kritisch gesehen wird. Bei der Zuwendung kann eine andere Regelung im Hinblick auf die Behandlung im Zugewinn vertraglich vereinbart werden.
Hinweis
Um solche Ansprüche insb. bei einer Scheidungsvereinbarung zu vermeiden, sollte in diese eine Freistellungsverpflichtung aufgenommen werden...